Das Frauensprechen

■ In der Schauburg: Rohmers „Frühlingserzählung“

„Ich finde, Du redest so natürlich“. Wenn wir Kino -ZuschauerInnen so etwas zu unseren Bekannten sagen würden, klänge es recht merkwürdig, oder? Wenn Natacha (mit der Betonung auf der letzen Silbe) dies ihrer neuen Bekannten Jeanne anvertraut, klingt es auf der Leinwand nicht besser. Das kommt davon, daß der Regisseur Eric Rohmer ein Franzose ist, dessen Sprache eben eine spezifische Semiotik hat.

Auch wenn an dieser Stelle nicht weiter das linguistische Feld der Bedeutungen von Ausdrücken weiter ausgebreitet werden soll, bleibt unbestritten: es macht, ganz sprachpragmatisch gesehen, einen Unterschied, ob ein Mann oder ob eine Frau spricht. Daß dies im Zusammenhang mit einer Filmkritik von Bedeutung ist, liegt bei Frühlingserzählung an einem scheinbaren Widerspruch. Obgleich Rohmer ein Mann ist, vermag er sich zumindest in die Sprache der Frauen hineinzudenken.

„Zumindest„ deshalb, weil er auch das Drehbuch geschrieben hat, also auch wichtige Aspekte weiblicher Gefühlsstrukturen verstanden haben muß. Für einen Mann bedeutet das eine ganze Menge Nachdenken.

Damit wir uns recht verstehen: Rohmers neues Kinowerk kann man(n) stinklangweilig finden oder als anregenden Fundus menschlichen (und besonders weiblichen) Verhaltens empfinden.

In knapp zwei Stunden passiert nicht viel und doch eine Menge. Das spärliche Geschehen findet fast ausschließlich in Räumen statt, und eigentlich wird nur geredet. Über Philosophie, über Liebe, über Kunst und ganz viel über Eifersucht. Natacha, achtzehnjährig und Tochter Igors, versteht von letzterer Schattenseite der Liebe für ihr Alter schon viel. Als sie Jeanne zufällig auf einer Party trifft, lädt sie die neue Freundin gleich in die große Wohnung ein und schon geht der verbale Austausch der Erfahrungen los.

Wenn Sie schon mal in Frankreich am Strand gelegen haben, kennen Sie vielleicht die Intensität solcher Diskussionen. Ist Jeannes Freund wirklich der Richtige? Ist Igors Freundin wirklich so unerträglich wie Natacha glaubt? Soll Jeanne mit Igor, einem schmächtigen Trintignant-Verschnitt, verkuppelt werden, damit Natacha dessen Freundin nicht mehr sehen muß? Ist Jeanne tatsächlich so harmonistisch, wie sie vorgibt? Wir wissen es nicht. Jedenfalls nicht genau.

Fest steht, daß es Rohmer wieder einmal verstanden hat, typisch französische Inhalte poetisch zu verpacken, ohne dabei die Dümmlichkeit zu begehen, der gesamten Arbeit einen männlichen Stempel aufzudrücken. „Ich habe mich nur einem verpflichtet gefühlt, der Logik“, sagt Jeanne nach Igors „Ich folge meinem Instinkt, das hat sich immer bewährt“. Sprache, Du Wandelbare, Du Kostbarkeit.

Jürgen Franck