Bessere Autonome?

West-Randale oder die Ost-Parole: „Keine Gewalt!“  ■  K O M M E N T A R

Im Gegensatz zu ihrem westlichen Pendant verlief die Ostberliner „Autonomen-Demo“ ohne Zwischenfälle. Ein augenfällig kleines Polizeiaufgebot war lediglich dazu da, die Veranstaltung gegen befürchtete Angriffe von Rechtsradikalen abzusichern; der Polizeichef von Prenzlauer Berg sprach von „Sicherheitspartnerschaft“, die vom Westen großzügig an die Volkspolizei abgegebenen einhundert Schutzschilde blieben im Arsenal.

Sind die Ost-Autonomen also die „besseren“ Autonomen? Der Unterschied liegt wohl in der Geschichte der jeweiligen Gruppierungen begründet. Die Linke in der DDR hat die Erfahrung machen müssen, daß Gewalt gegen eine übermächtige Staatsmaschinerie von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Jeder noch so kleine Ansatz „revolutionärer Aktivitäten“ wäre dem Staatssicherheitsdienst willkommener Anlaß gewesen zuzuschlagen. So war man darauf angewiesen, Methoden des gewaltlosen Widerstandes zu entwickeln. Der Erfolg ist bekannt. Die Möglichkeit gewaltloser Veränderungen gehört zu den wichtigsten Erfahrungen der „Herbstrevolution“, der Ruf „Keine Gewalt“ wurde gleichsam zu einer Schlüsselparole.

Im Westen hingegen errangen die einzelnen Gruppen im Zuge der 68er Revolte zwar eine größere Bewegungsfreiheit, doch scheint es vielen lediglich eine Freiheit der Wirkungslosigkeit zu sein. Ziele, die es zu verfolgen galt, waren oft nur über einen kaum zu überblickenden Wust von Instanzen zu erreichen - vieles lief beim „langen Marsch durch die Institutionen“ ins Leere. Auf diese Art angestauter Frust sucht sich Ventile - die mittlerweile alljährlichen Mai-Explosionen sind ein Exempel dafür. Nur hat das weniger mit „revolutionären Aktionen“ als vielmehr mit einer schier grenzenlosen Hilflosigkeit zu tun. Denn verändern wird Randale überhaupt nichts - außer vielleicht eine Verstärkung polizeilicher Aktivitäten.

Wer tatsächlich gesellschaftliche Veränderungen will, muß zu Mitteln greifen, die den Staat dazu zwingen, sein Gewaltpotential in der Schublade zu lassen. Hier könnten die „Kreuzberger“ - so es ihnen mit gesellschaftlichen Veränderungen Ernst ist - von ihren Freunden im Osten lernen. Gewalt gebiert immer wieder nur Gewalt. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen. Auch in Kreuzberg.

Olaf Kampmann/ taz, Ost-Berlin