Klassen-Kampf

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(Die Aufsässigen, 20.00 Uhr, West 3) Spätestens seit Richard Brooks Saat der Gewalt aus dem Jahr 1955, der im Original bezeichnenderweise Blackboard Jungle heißt, ist die Schule als Schauplatz in der Welt des Kinofilms präsent. Daß Lehranstalten zum Austragungsort sozialer Konflikte werden, ist für US-Amerikaner nichts Ungewöhnliches; und selbst spekulative Machwerke wie Die Klasse von 1984 beinhalten noch ein Körnchen Wahrheit über Defizite des US -Bildungssystems. Aber auch eine ganze Reihe zwar publikumswirksam inszenierter, aber diskussionswerter Hollywoodfilme beschäftigen sich mit diesem Sujet.

Jonathan Kaplan drehte beispielsweise 1978 Wut im Bauch (Over The Edge) nach tatsächlichen Begebenheiten. Hier protestieren die jugendlichen Bewohner einer Satellitenstadt, werden aber erst gehört, als der Konflikt eskaliert und ein Schüler von Polizeibeamten erschossen wird. Wie brisant selbst ein solcher Unterhaltungsfilm sein kann, zeigt die Tatsache, daß die Aufführung von Wut im Bauch in seinem Entstehungsland zunächst verzögert und schließlich - angeblich aufgrund möglicher Krawalle - ganz abgesagt wurde. Nur im Ausland konnte der Film gezeigt werden.

Auch in Arthur Hillers Die Aufsässigen (Teachers) ist die Schule zum Kampfplatz geworden. Auseinandersetzungen zwischen Jugendgangs und dem uniformierten Wachpersonal sind an der Tagesordnung, eine brutale Hackordnung bestimmt den Umgang der SchülerInnen untereinander; die LehrerInnen der Kennedy-High-School sind unfähige Schwächlinge, die ihr „Plansoll“ erfüllen, ohne auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen, und die vor dem Chaos längst kapituliert haben. Selbst Alex Jurel, ein desillusionierter Bürgerrechtler, hat resigniert und zieht tagtäglich lustlos sein Lehrprogramm durch. Erst das engagierte Eintreten einer inzwischen Rechtsanwältin gewordenen ehemaligen Schülerin erschüttert den Stoizismus der Beteiligten. Zu Recht hält sie es für einen Skandal, daß AbsolventInnen der Schule zwar über das Reifezeugnis verfügen, nicht aber über auch nur fundamentale Kenntnisse der Rechtschreibung und der Mathematik. Nichts fürchtet das Kollegium so sehr wie einen Skandal, doch statt die Mißstände anzugehen, arrangieren sich die Beteiligten hinter dem Rücken der Anwältin. Die aber gibt nicht auf, denn ihr geht es um die Sache, nicht um eine möglichst hohe finanzielle Entschädigung. Sie bedrängt ihr einst bewundertes Vorbild Alex Jurel, der nach langem Zögern den Kampf aufnimmt gegen die Korrumpierbarkeit und den Fatalismus seiner KollegInnen und so zum Außenseiter wird.

Neben Nick Nolte in der Rolle des bulligen Liberalen spielen die inzwischen zu Stars avancierten Jünglinge Judd Hirsch und Ralph Macchio. In einer komischen Nebenrolle, die von zahlreichen Kritikern als unpassend empfunden wurde, die aber trotzdem viel Vergnügen bereitet, agiert der unnachahmliche Richard Mulligan, bekannt aus der TV-Serie Soap und dem Kinofilm S.O.B.

Harald Keller