Polizei gegen Streiks in Südkorea

■ 333 Streikende bei Sturm auf staatlichen Fernsehsender festgenommen / Straßenkämpfe nach Besetzung einer bestreikten Schiffswerft / Die Regierung will „hart“ durchgreifen / Panikverkäufe schwächen Seouler Börse

Seoul (dpa/ap) - Südkorea wird wieder von einer heftigen Welle von Arbeitskämpfen erschüttert. Neu dabei ist, daß nicht nur Industriearbeiter für mehr demokratische Rechte streiten, sondern auch in staatlichen Unternehmen der Ruf nach mehr Mitbestimmung lauter wird. So protestieren seit Mitte April Tausende von Beschäftigten des größten koreanischen Fernsehsenders, Korea Broadcasting System (KBS) - gegen die Ernennung ihres neuen Präsidenten. Suh Ki-Won, früher Chefredakteur der konservativen Zeitung 'Daily Seoul Shinmun‘, ist ihrer Meinung nach als „Marionette der Regierung“ für das Amt des KBS-Chefs ungeeignet.

Die Regierung reagierte auf ihre Weise auf den Protest: Ein Polizeieinsatzkommando von 2.400 Mann beendete in der Nacht zum 1. Mai den Streik in der KBS-Zentrale im Süden Seouls. 333 Streikende wurden festgenommen, die meisten von ihnen zwar wieder auf freien Fuß gesetzt, nachdem sie erklärt hatten, ihren Protest aufzugeben. Aber 11 KBS-Gewerkschafter wurden am Mittwoch verhaftet. Premierminister Kang Young -Hoon rechtfertigte die Aktion, die eine Welle von Protesten bei weiteren Rundfunk- und Fernsehsendern nach sich zog, mit dem Argument, durch den Streik würden Steuergelder verschwendet. KBS ist ein staatlicher Sender.

Der zweite Streik, der ebenfalls auf weitere Unternehmen übergegriffen hat, ist der der Schiffbauarbeiter auf Südkoreas größter Werft in Ulsan. Drei Tage lang protestierten Zehntausende von Beschäftigten der „Hyundai Heavy Industries“ gegen die Inhaftierung von Gewerkschaftsführern, die im Februar 1989 einen Streik organisiert hatten. Beim Sturm des Firmengeländes durch die Polizei und anschließenden Straßenkämpfen wurden fast zwanzig Menschen verletzt. Seitdem haben Zehntausende von Hyundai-Arbeitern im ganzen Land die Arbeit niedergelegt. Proteste gegen die Polizeieinsätze bestimmten auch den „Tag der Arbeit“, an dem zum ersten Mal eine genehmigte Kundgebung des größten koreanischen Gewerkschaftsbundes mit 10.000 Teilnehmern stattfand.

Die Regierung hat angekündigt, weiter „hart“ gegen Streikende durchzugreifen. Die sozialen Spannungen und die Wirtschaftskrise zur Zeit erforderten „besondere Maßnahmen“. Eile ist geboten, sonst werden Fernseh- und Radiosender wegen der Streiks nur noch Notprogramme senden, die Industrieproduktion noch weiter absinken und die Seouler Börse, durch Panikverkäufe bereits stark geschwächt, gänzlich zusammenbrechen.