piwik no script img

Ehedem feindliche Brüder kommen sich näher

Ägyptens „Rais“ Mubarak auf Staatsvisite in Syrien / In Israel beobachtet man Wiederannäherung zwischen Kairo und Damaskus mit Sorge  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak reiste am gestrigen Mittwoch erstmals nach Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Syrien und Ägypten nach Damaskus, um sich mit dem syrischen Staatschef Hafiz Assad zu einem umfassenden Meinungsaustausch zu treffen. 1977 hatte Syrien die Beziehungen zu Kairo wegen des ägyptischen Separatfriedens mit Israel abgebrochen. Erst 13 Jahre später wurden sie wieder aufgenommen.

Die sich nun andeutende Wiederannäherung zwischen Syrien und Ägypten wird von der israelischen Regierung unter Premierminister Schamir, dem Chef des rechtskonservativen Likud, mit unverhohlenem Argwohn betrachtet. Denn der Trend hin zu einer gemeinsamen arabischen Politik und die Aussicht auf eine von den Arabern initiierte „Friedensoffensive“ stößt bei Israels rechtsgerichteten Parteien nur auf wenig Gegenliebe. Sehen diese doch in einem solchen Unterfangen eine unerwünschte Bedrohung des Status quo der Region. Die israelische Zeitung 'Haarez‘ meinte am Mittwoch dazu in einem Kommentar: „Das Treffen zwischen Mubarak und Assad ist wahrscheinlich als Signal an die Vereinigten Staaten zu werten, die US-Nahostpolitik neu zu überdenken.“ Falls nötig, so der Tenor des Blattes, werden die USA dabei auch Druck auf Israel auszuüben haben, damit eine Torpedierung des Friedensprozesses vermieden werden kann und die Gefahr eines neuen Krieges möglichst gering bleibt.

Das Treffen der beiden arabischen Staatsoberhäupter ist aber auch als Mahnung an Israel zu verstehen. Denn bei fortschreitender Annäherung der arabischen Staaten sinken Israels Chancen, die ideologischen Grabenkämpfe der arabischen Brüder für eigene Zwecke zu nutzen. Und auch für die arabischen Staaten setzt das Treffen der ehemals heftig verfeindeten Präsidenten Zeichen. Denn die arabische Welt steht vor neuen Herausforderungen - wie der Masseneinwanderung von sowjetischen Juden nach Israel -, die ein Höchstmaß an Einheit und Kooperation erfordern. Freilich, genau diesen Einigungsprozeß befürchtet man in Israel. Das Treffen von Mubarak und Assad könnte, so meinen viele, mittelfristig auch den Weg für eine Wiederannäherung zwischen Syrien und dem Irak ebnen.

Professor Mosche Maoz, führender Mittelostexperte von der „Hebräischen Universität“ in Jerusalem, beurteilte eine seiner Meinung nach bevorstehende ägyptisch-syrische Friedensinitiative so: „Diese wird zwangsläufig zu einer Entlarvung der gegenwärtigen israelischen Friedensunwilligkeit führen.“ In der Tat dürfte es selbst den rechten Falken in Israel schwerfallen, die syrische Offerte, nach der die Frage der von Israel besetzten Golan -Höhen im Zusammenhang mit den Rahmenbedingungen eines Friedensprozesse zweitrangig sei, brüsk zurückzuweisen.

Ganz in diesem Sinne äußerte sich auch einer der Herausgeber der Zeitung 'Yediot Ahronot‘. Er stellte die Frage, ob denn der alte und vermutlich auch neue Premierminister Schamir überhaupt wüßte, was die Winke mit dem Zaunpfahl aus Washington, Kairo und nun auch aus Damaskus denn bedeuten. Der Premier wäre gut beraten, seine geplante kleine Koalition mit den Rechtsextremen aufzugeben und dafür zu sorgen, daß eine neue Regierung auf einem möglichst breiten Fundament stehe. Auch begrüße Washington, fuhr der Herausgeber von 'Yediot Ahronot‘ fort, eine Wiederauflage der „Nationalen Koalition“ zwischen Likud und Arbeiterpartei.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen