Nazi-Kommandant ausgeliefert

■ Josef Schwammberger, einstiger Kommandant von Konzentrationslagern in Polen, wird heute ausgeliefert

Stuttgart (taz) - Heute wird ein langgesuchter Nazi -Verbrecher auf dem Stuttgarter Flughafen eintreffen: Josef Schwammberger, einstiger Kommandant der polnischen Lager in Rozwadow, Mielek und Przemyls. 28 Jahre lang hat die Stuttgarter Staatsanwaltschaft nach ihm gefahndet. Von Argentinien nach einjährigem Hin und Her endlich ausgeliefert, wird er in Stuttgart-Stammheim auf seinen Prozeß warten müssen. Die Staatsanwaltschaft will den Kriegsverbrecher noch in diesem Jahr vor ein Schwurgericht stellen.

Dem inzwischen 78jährigen Schwammberger wird die Ermordung mehrerer hundert Juden und die Deportation Tausender in die Konzentrationslager Belzec und Auschwitz angelastet. Schwammberger, in Südtirol geboren, begann seine Nazi -Karriere als SS-Offizier. In den letzten drei Kriegsjahren war er ein für seine Härte berüchtigter Langerkommandant, der die Menschen allein schon aufgrund von Tauschgeschäften erschießen ließ. Allein im Ghettolager Przemyls soll er über 250 Juden eigenhändig getötet haben - zum Teil aus reiner „Mordlust“ und Wutausbrüchen heraus. Darüber hinaus soll er dort die Ermordung von über 700 weiteren Juden angeordnet haben. 35 Morde in Przemyls gab Schwammberger 1945 zu - bei seiner Verhaftung durch die französischen Besatzungstruppen in Österreich.

Schwammberger konnte sich nach Argentinien absetzen, wo er jahrelang unbehelligt als Angestellter bei Siemens in La Plata arbeitete. In den 70er Jahren wurde er entdeckt. Es gelang ihm jedoch, vor einer Verhaftung noch einmal 15 Jahre unterzutauchen. Seit Herbst 87 sitzt Schwammberger in Argentinien im Gefängnis. Nachdem dem Auslieferungsbegehren von den argentinischen Behörden zugestimmt wurde, beging Schwammberger einen Selbstmordversuch.

Ob es tatsächlich in diesem Jahr zum Prozeß kommen wird, ist jedoch fraglich. Nach ärztlichen Angaben ist Schwammberger herzkrank; seine Vernehmungs- und Haftfähigkeit wird bezweifelt. Zudem ist der Umfang der Anklage noch offen: Argentinien kann als Auslieferungsland die Anklagepunkte für die Auslieferung festschreiben.

Es gilt jedoch als wahrscheinlich, daß die Aktenberge der Staatsanwaltschaft und die 100 Zeugenaussagen über die Greueltaten Schwammbergers weit mehr Anklagepunkte ans Licht fördern, als in dem 1972 erlassenen Haftbefehl enthalten sind.

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