: Gegen Sexismus in der Werbung
■ Rund 200 Frauen diskutierten im Rathaus Schöneberg über sexistische Werbung / Frauen sollen sich aktiv gegen frauenfeindliche Kampagnen wehren / Detlef Kuno von der Vereinigten Verkehrsreklame zeigte sich uneinsichtig und sorgte für Empörung
West-Berlin. Keine Autowerbung ohne langbeiniges Mannequin, kein Putzmittel ohne die fesche Hausfrau im Minikleid. Sind Frauen eine werbewirksame Ware? Sie sind! Darüber waren sich jedenfalls die rund 200 Frauen einig, die am Mittwoch abend im Rathaus Schöneberg über den alltäglichen Sexismus in der Werbung diskutierten. Eingeladen hatten die Frauenbeauftragten der Westberliner Bezirke, die zum brisanten Thema auch etliche Fachleute aus der Werbebranche zu Wort kommen ließen.
„Frauenfeindliche Werbung ist unangemessen, beleidigend und liegt in erster Linie im Interesse der Werbewirtschaft.“ So umriß die Steglitzer Frauenbeauftragte Sigrid Masur die Situation auf den Plakatwänden und im Kinovorspann. „Es bringt nichts, wenn wir auf frauenfeindliche Werbekampagnen immer nur reagieren. Wir müssen vorsorgen, damit sowas gar nicht erst erscheint“, erklärte dazu eine Diskussionsteilnehmerin. „Natürlich, wenn man gegen die Werbeagenturen vorgeht, tut denen es plötzlich leid und die Kampagne wird zurückgezogen.“ Das sei dann aber nur ein Einzelfall. Schon kurze Zeit später starte die gleiche Agentur eine neue sexistische Kampagne. Als lobenswert bezeichnete die Wilmersdorfer Frauenbeauftragte Dagmar König die Initiative einer fünften Schulklasse. Sie hatte vor einer Berliner Fliesenfirma, die ihre Kacheln offensichtlich sexistisch an den Mann bringen wollte, Flugblätter verteilt, mit denen auf die frauenfeindliche Werbung aufmerksam gemacht werden sollte. „Gerade in den Schulen muß viel mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden“, so König.
Für blankes Entsetzen sorgte die Wilmersdorfer Frauenbeauftragte mit einem T-Shirt, auf das sie eine Bewohnerin ihres Bezirks aufmerksam gemacht hatte. Abgebildet auf dem Kleidungsstück ist ein Mäuserich, der eine Maus vergewaltigt, die wehrlos in einer Mausefalle liegt. „Die Herstellerfirma hat jegliche Sittenwidrigkeit abgewiesen, weil es sich auf dem T-Shirt um Tiere handelt“, empörte sich König. Sie will jetzt gerichtlich gegen die Firma vorgehen.
Ähnliches hat auch der Geschäftsführer des Verbraucherschutzvereins Bultmann vor. „Es gibt seit einiger Zeit einen Likör, der Busengrapscher heißt“, erklärte er. Auch diese Herstellerfirma weigere sich von dem Likörnamen Abstand zu nehmen, weshalb der Verbraucherschutzverein Klage erhoben hat. Viel zu selten, so Bultmann, werde gerichtlich gegen sittenwidrige und menschenverachtende Werbung vorgegangen. „Ich habe bei meiner Recherche nur ein einziges Verfahren gefunden, und das war von 1970.“
Für Zündstoff sorgte dagegen Detlef Kuno von der Vereinigten Verkehrsreklame. Verantwortlich für so manche diffamierende Reklame in U-Bahnstationen und Bushäuschen, mußte er sich harsche Kritik von seiten der Diskussionsteilnehmerinnen gefallen lassen. „Natürlich prüfen wir, ob Werbung anstößig oder provozierend ist“, verteidigte er sich. Weil sich viele BVG-Benutzerinnen über die Playboykampagne vor zwei Jahren geärgert und „in Aktion“ getreten seien, habe seine Behörde im letzten Jahr einen Folgeauftrag des Männermagazins abgelehnt.
Jedoch: Für Kuno ist die Frau in der Werbung nicht Ware, sondern „aufreißendes Symbol“. Das sei schließlich für die Frauen gedacht. Sie kauften doch sowieso in erster Linie ein. „Bei mir zu Hause kauft meine Frau auch das Waschmittel ein und auch meine Unterhosen.“
Christine Berger
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