Die neue Koalitionsvielfalt in Bayern

Von Rot-Grün bis Schwarz-Grün ist bei den bayerischen Kommunen alles möglich / Große Koalitionen um der Posten willen  ■  Aus Nürnberg Bernd Siegler

Bei der CSU hatten die „Alarmglocken“ geschrillt, für die Sozialdemokraten hatte die „schwarze Götterdämmerung“ und das Ende der Alleinherrschaft der CSU begonnen. Kurz nach den bayerischen Kommunalwahlen, die der CSU herbe Stimmenverluste brachten, waren die Fronten zwischen den beiden großen Parteien noch klar abgesteckt. Doch jetzt bei den konstituierenden Sitzungen der neugewählten Kommunalparlamente sieht es schon anders aus. Die Koalitionen und „Gestaltungsmehrheiten“ verlaufen quer durch alle Parteien, nur die „Republikaner“ bleiben bislang außen vor.

Unter dem Strich verlor die CSU bei den Kommunalwahlen landesweit 7,2 Prozent und sackte auf 41,9 ab. Der Triumph der SPD bei den Oberbürgermeisterwahlen drückte sich jedoch nur selten in Prozentpunkten bei den Stadtrats- und Kreistagswahlen aus. Die Sozialdemokraten verloren insgesamt 2,1 Prozent und landeten bei 28,4. Gewinner waren die Grünen und die Reps, die jeweils 5,4 Prozent der Stimmen erhielten und 233 bzw. 248 Mandate erobern konnten. Da die CSU in nahezu allen Städten ihre absolute Mehrheit verlor, mußte sie sich auf die ungewohnte Suche nach Partnern begeben und fiel dabei in einigen Kommunen auf die Nase.

Allen voran in der Landeshauptstadt München. Wenige Tage vor der konstituierenden Sitzung des Stadtrats am Mittwoch, verkündeten SPD und Grüne, die nächsten sechs Jahre gemeinsam die Stadt regieren zu wollen. Die CSU, die in München über zwölf Prozent verloren hatte, hatte der SPD zwar eine Zusammenarbeit angeboten, ist aber laut SPD-OB Kronawitter „nicht kompromißbereit“ gewesen.

In Nürnberg, das seit 1981 von SPD und Grünen gemeinsam regiert wurde, zeigte die SPD, die zwei Sitze verloren hatte, zunächst den Grünen, die zwei Sitze hinzugewinnen konnten, die kalte Schulter. In einer lockeren Zusammenarbeit will eine Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grüne zunächst bis zur Sommerpause regieren. In Regensburg, wo die CSU nicht nur sensationell den OB-Posten an Christa Meier von der SPD abgeben mußte, sondern auch 10,1 Prozent verlor, wird eine „Gestaltungsmehrheit“ aus SPD, Grünen, FDP und Freien Wählern zukünftig die Politik bestimmen. Als „Zuckerl“ darf die CSU den Posten des dritten Bürgermeisters besetzen.

In den meisten Großstädten dienten sich jedoch Sozialdemokraten als Mehrheitsbeschaffer für die gebeutelten Christsozialen an. In Hof, Bamberg, Ingolstadt und Schwabach sind die Weichen für Zusammenarbeit der großen Parteien gestellt, in Augsburg unterstützte die SPD die CSU -Referentenriege. In Bamberg (CSU minus 12,6 Prozent) bekam die SPD für ihre Kooperationsbereitschaft den dritten Bürgermeisterposten und einen zusätzlichen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden.

Bisher einmalig im Freistaat ist das schwarz-grüne Bündnis in der 20.000 Einwohnerstadt Roth bei Nürnberg, das bislang von SPD und CSU regiert worden war. Rein rechnerisch wäre eine rot-grüne Mehrheit möglich gewesen, doch die SPD verweigerte sich einer Zusammenarbeit mit den Grünen. Die CSU dagegen, so der grüne Stadtrat Seitz, zeigte weniger Berührungsängste und mehr ökologisches Verständnis.