Schwierzomper im Finale

■ Tino Schwierzina und Walter Momper legen 12-Punkte-Programm für Berlin vor / Senat und Magistrat sollen in Bonn und Brüssel gemeinsam auftreten

Ost-Berlin. Der Spitzenkandidat der Ostberliner SPD, Tino Schwierzina, und der Regierende Bürgermeister von West -Berlin, Walter Momper, haben gestern zum Abschluß des Kommunalwahlkampfes auf einer Pressekonferenz im Roten Rathaus ein gemeinsames 12-Punkte-Programm für die Stadt vorgelegt. Das Programm soll von einem „sozialdemokratisch geführten Magistrat“ und dem Senat in den ersten 100 Tagen nach Neubildung der Ostberliner Stadtregierung verwirklicht werden.

Die beiden Sozialdemokraten wollen sich zunächst dafür einsetzen, die Mauer so schnell wie möglich zu beseitigen. Außerdem sollen so bald als technisch möglich alle U- und S -Bahnhöfe wieder geöffnet werden. Spätestens im Juli sollen Zoll- und Personenkontrollen an den Grenzen eingestellt werden.

Erste Aufgabe des Magistrats sei ein Kassensturz, betonte Schwierzina. Beim Aufbau einer demokratisch kontrollierbaren Haushalts- und Verwaltungsstruktur werde der Senat eine „wichtige Beratungsfunktion“ ausüben. Der Oberbürgermeisterkandidat kündigte für den Fall eines SPD -Wahlsieges an, zusammen mit Momper ein gemeinsames Konzept für Mieterschutz und soziale Mietenpolitik zu erarbeiten, „das durch eine Mietpreisbindung unkontrollierte Mietpreissteigerungen in Ost-Berlin und eine mögliche Verdrängung Ostberliner Mieter durch zahlungskräftigere Westberliner verhindert“.

Die Netze von BVB und BVG sollen binnen eines Jahres vollständig verknüpft werden. Einem künftigen Land Brandenburg würden Momper und Schwierzina den Abschluß eines Vertrages über einen Berlin-Brandenburgischen Verkehrsverbund mit einer gemeinsamen Umweltkarte vorschlagen.

Momper und Schwierzina wollen Gesamtberliner Eigenbetriebe planen. Die Versorgungssicherheit Berlins müsse durch schnelle Zusammenfassung der technischen Mittel der Versorgungsbetriebe sichergestellt werden. Das gelte für die Energieversorgung, für die Wasserversorgung und die Abfallbeseitigung. Eine Gesamtberliner Luftreinhaltepolitik mit einer neuen Smog-Verordnung und der beschleunigten Umstellung der Feuerungsanlagen auf umweltfreundliche Brennstoffe sei der erste Schritt zu einer Gesamtberliner Umweltschutzpolitik.

In Bonn und Brüssel sollten Magistrat und Senat künftig mit einer gemeinsamen Haltung auftreten, erklärten Momper und Schwierzina. Ein Vertreter des Oberbürgermeisters werde regelmäßig an den Beratungen des Senats über die Stimmabgabe im Bundesrat beteiligt werden. Auch der Personalaustausch zwischen den beiden Stadtregierungen soll weiter ausgebaut werden. In Ergänzung zur Wirtschafts- und Sozialunion soll noch in diesem Jahr eine Berliner Verwaltungsunion vereinbart werden.

Zur Diskussion um die Neubebauung des Potsdamer Platzes erklärte Schwierzina, daß er sich mit Momper darin einig sei, daß die Stadtmitte gemeinsam geplant werden müsse. Ein „Weltkonzern wie Daimler-Benz“ sei da hochwillkommen, wenn er sich auf eine „menschliche Stadtplanung“ einlasse. Nur das Tempo der Planung und Bebauung würde er anders bewerten als Momper - dem Ost-Sozialdemokraten geht die Sache zu schnell. Aber da werde man „sicher bald zu einer Lösung kommen“.

In Anspielung auf seinen Streit mit Johannes Rau in der Hauptstadt-Frage erklärte Walter Momper, er sei „besorgt und betroffen“ darüber, wie die „deutsche Geschichte zu Lasten Berlins entsorgt“ werde. „Die Braunen haben in der Weimarer Republik in Berlin nie eine Mehrheit gehabt“, sagte er, „die Hauptstadt der Nazi-Bewegung war ja wohl woanders.“ Auch das Argument, eine Hauptstadt Berlin würde rund 80 Milliarden Mark kosten, halte er für „absurd und falsch“.

ccm