Der Kanalarbeiter

■ Tele-Tips aus der Provinz

Es gehört zwar nicht zu den Aufgaben eines Kanalarbeiters, und ich werde auch nicht dafür bezahlt, trotzdem überwinde ich gelegentlich meinen Widerwillen und greife spitzfingrig zu einem Printmedium. Das kann sogar recht vergnüglich sein, wenn man zum Beispiel auf Pretiosen stößt wie den folgenden, schwer menetekelnden Satz, den Alfred „Kassandra“ Hilsberg Tage, wenn nicht Wochen vor dem Anschlag auf Lafontaine in das Hamburger Stadtmagazin 'Szene‘ rücken ließ: „Die bereits gedruckten und noch zu ertragenden Schlagzeilen um das unausweichliche Groß-Deutschland verdecken das alltägliche, über uns hereinbrechende Grauen, das manchen zur Flasche und andere zum Messer greifen läßt.“ Eine erstaunliche Prophezeiung. Aber Oskar ist ja bereits auf dem Wege der Verbesserung, ein schneidiger Kerl halt, von dem sich manch ein Berufspolitikerkollege noch eine Scheibe abschneid... Oh pardon.

Verlegen husche ich rasch zurück in die Fernsehkanäle, stoße bei der ARD auf den für 15.30 Uhr ausgesetzten Filmtitel Das Herz eines Indianers - und muß dummerweise schon wieder an den „Oscar“ denken: In einer kleineren Rolle des 1958 gedrehten Disney-Westerns ist nämlich die jüngst rechtmäßig mit einem Academy Award ausgezeichnete Jessica Tandy zu sehen.

Von dem rigorosen Schnitt, mit dem die DDR ihrer Vergangenheit ade sagte, haben sich offensichtlich auch die Texter und Komponisten der Grand-Prix-Schlager inspirieren lassen, die am Samstagabend um 21.00 Uhr einander auszustechen versuchen, was die ARD live zu übertragen nicht ansteht. Da hagelt es beziehungsreiche Titel wie Ik wil alles met je delen (NL), Give a little love back to the world (GB), Brandenburger Tor (N), Frei zu leben (BRD) oder Keine Mauern mehr (A). Schaurig. (Siehe nebenstehenden Bericht)

Auf 3sat steht der Fernsehabend ganz im Zeichen des leider verstorbenen Mannes mit der Pauke. Zunächst gibt es um 21.10 Uhr live aus Berlin einen Wolfgang-Neuss-Abend mit D. Hildebrandt, Eckart Hachfeld und dem Kabarettspezialisten Volker Kühn. Gleich anschließend wiederholen die verdienstvollen 3satler noch einmal Neuss‘ legendäres Solo -Programm Das jüngste Gerücht, das ob seiner bestechenden Güte resp. Qualität mit stichhaltigen Gründen durchaus zum zweiten oder dritten Male genossen werden kann.

Am Sonntag gibt es im ZDF nun endlich den lang geplanten deutsch-deutschen Fernsehabend, Guten Abend, Deutschland, zu dem angeblich beide Teile das beste ihrer jeweiligen Programmen beitragen wollen. Das wären dann auf unserer Seite Frank Elstner, T. Gottschalk, D.T. Heck, W. Thoelke und Carolin Reiber, auf der „gegnerischen“ Seite Gunter Emmerlich, H.-J. Wolfram und H.-G. Ponesky. Möge der Bessere gewinnen.

Harald Keller