Unser Programm heißt Deutschland

■ Ein Video der Medienwerkstatt Franken über die „Republikaner“, Samstag 14.45 Uhr, Kanal 4

Glockenläuten, Trauermusik, gamsbartgeschmückte Honoratioren ziehen schweigend durch ein Dorf, Soldaten- und Kriegerkameradschaften erweisen ihre Reverenz. „Er war ein Mann aus Schrot und Korn“, gesteht ein Einheimischer, „er war ein Wolpertinger“. Der große Bayer, Franz Josef Strauß, wird zu Grabe getragen. Noch einmal lassen ihn die Filmemacher Kurt Keerl und Jürgen Staiger von der Medienwerkstatt Franken auferstehen. Aus der Gruft verkündet FJS sein Lebensprogramm: „Wir müssen wieder ein Volk werden, das nicht mehr den gebeugten Gang des Sträflings der Weltgeschichte geht, sondern den aufrechten Gang bewußter Bürger, die stolz sind, daß sie Deutsche sind.“ Dann erst beginnt der eigentliche Film mit dem aus dem „Republikaner„ -Parteiprogramm entliehenen Titel: Unser Programm heißt Deutschland.

Ansichten von „Republikanern“ will das Video in knapp 60 Minuten vermitteln und - so Kurt Keerl - „angesichts der diffusen Analysen, die es über das Phänomen „Republikaner“ gibt, zumindest ein realistisches Bild über die Partei zeichnen“. Nur am Anfang wagen sich die Videofilmer, die die „Republikaner“ über zwei Jahre lang auf Schritt und Tritt beobachtet haben, auf das Glatteis der Analyse. Sie gehen aus von einem kausalen Zusammenhang zwischen den Erfolgen der Rechtspartei und der nachlassenden Integrationskraft der Union nach Strauß für das schon immer vorhandene reaktionäre, nationalistische Potential. Warum aber konnten die „Republikaner“ auch in sozialdemokratischen Hochburgen wildern, warum wählen Yuppies diese deutsche Erneuerungspartei? Der Film gibt darauf keine Antworten und will auch keine geben.

Unser Programm heißt Deutschland zeigt die Vorstandssitzung der Reps im mittelfränkischen Dinkelsbühl, die Probe des „Gesangsvereins Liederkranz Freiahorn“ vor dem Festzeltauftritt von Parteichef Schönhuber, den Schönhuber -Zögling Neubauer in Troschenreuth, wo die Reps 46 Prozent bei den Europawahlen holten, und immer wieder Schönhuber. Aus 50 Stunden Material zimmerte die Medienwerkstatt eine Bestandsaufnahme. In vier thematischen Blöcken kontrastierten sie die Aussagen kleiner „Republikaner„ -Funktionäre und deren Alltagsphilosophien zu Vergangenheitsbewältigung, Antisemitismus, Ausländerfrage und Deutschlandpolitik mit Schönhubers markigen Worten. „Normale“ deutsche Phantasien erhalten so ihre Zuspitzung in aggressiver Agitation. Nur einmal gelingt es, diese Verbindung deutlich als eine logische darzustellen. Der „deutsche Michel“ in Gestalt eines Dinkelsbühler Vorstandsmitglied, der trotzig verkündet, „ein kleiner gewisser Nationalismus“ müsse sein, wird beim Absingen der obligatorischen Nationalhymne eins mit seinem Parteichef, der mit Schweiß auf der Stirn ins Mikrofon schreit: „Wir sind ein großes Volk“.

Bei ihrer Bestandsaufnahme verzichtet die Medienwerkstatt bewußt auf einen Kommentar, man wollte keinen „erhobenen Zeigefinger“. Nur zweimal wird die aufwendige Montage der Rep-Zitate durchbrochen. Ein im 3. Reich zum Tode verurteilter Deserteur zerstört die Litanei vom „es müsse endlich Schluß sein mit der Vergangenheitsbewältigung“. Ihn werde seine Geschichte bis an sein Lebensende verfolgen privat, in Form von Depressionen und Alpträumen. Ein kurdischer Flüchtling zerstört Schönhubers Demagogie vom Wirtschaftsflüchtling, dem es zu gut gehe hier in der Bundesrepublik. Videofilmer Keerl hofft, daß diese beiden Einschübe ausreichen, um die Ansichten der Reps zu entlarven. „Damit spricht der Film für sich“, behauptet er. Aber reicht das?

Genügt es, um dem Phänomen der Reps gerecht zu werden, nahezu ausschließlich die Reps selbst zu Wort kommen zu lassen? Wo bleibt die spezifische Gefährlichkeit der Reps, die mit ihrer Agitation Aggressionen lostreten (die steigende Zahl von Übergriffen gegen Ausländer beweist dies)? Wo bleibt die Scharnierfunktion der Partei als eine ideologische Brücke zwischen Konservativismus und militanter Rechten? Haben die Reps denn keinen intellektuellen Background?

Nur beim Thema Deutschlandpolitik wird der Film dichter. Rep-Zitate werden mit Versatzstücken gesellschaftlicher Realität bereichert. Die Oder-Neiße-Grenze rückt ins Bild, Arbeiterinnen eines DDR-Fahnenkombinats werden beim Nähen bundesdeutscher Flaggen gezeigt, eine Kinderstimme rezitiert aus Ernst Moritz Arndts Lieder für Teutsche von 1813, die Leipziger Montagsdemonstranten skandieren „Schwarz-rot -gold, wir sind ein Volk“ und die „Republikaner“ gründen einen Ortsverband in der DDR. Über weite Passagen des Videos werden die Reps jedoch herausgelöst aus dem gesellschaftlichen Kontext und in ihrer Reduktion auf ein bajuwarischen Phänomen mit viel Bier, dörflicher Idylle und Blasmusik verharmlost.

„Republikaner„-Parteigängern und Sympathisanten könnte dieser Film gefallen. Dieser Gefahr ist sich auch Kurt Keerl bewußt. „Mit dem Risiko muß man leben“, gesteht er und verweist darauf, daß die Filmaufführung in der Regel mit einer anschließenden Diskussion verknüpft ist. So bestehe die Möglichkeit, auf den Rezipienten einzuwirken. Aus diesem Grund hält er auch die Fernsehausstrahlung auf den NRW -Lokalsender Kanal 4 im Vorfeld der Landtagswahlen für „problematisch“.

Bernd Siegler

Verleihadresse: Medienwerkstatt Franken, Rosenaustr.7, 8500 Nürnberg 80, Tel. 0911/288013)