Sanfte Manager

■ Ein neues Schlagwort geistert durch die tourismuskritische Diskussion: ökologisches Management. Christel Burghoff untersucht, ob an diesem "ganzheitlichen" Ansatz etwas dran ist

kologisches Management harter Tourismus : Psychotraining für Manager x umweltorientierte Unternehmensphilosophie + Checkliste für sanfte Projekte

oder

ökologisches Management sanfter Tourismus : harte Ökonomie x neue Werte + Life-style

Ob solche Formeln stimmen oder je ernsthaft aufgestellt werden, ist rein spekulativ. Sie sind dem Wortschatz des neuen, vernetzten, systemischen Denkens in der Tourismusindustrie entliehen, einer Denkrichtung um Management, die sich selbst erst etabliert.

Ihrer Entstehung gehen langjährige Forderungen tourismuskritischer Ökonomen nach einem „sanften“ beziehungsweise „angepaßten Tourismus“ voraus. Sie verstehen darunter eine ganzheitliche Sicht des Tourismus und ein neues Kosten-Nutzen-Denken, das in der Lage ist, Ökonomie und Ökologie miteinander zu verbinden und zu versöhnen. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es nach Jost Krippendorf, einem einflußreichen Fürsprecher einer neuen Sicht und eines „Gesinnungswandels“ im Tourismus, sogar eines neuen Menschentypus. Krippendorf fordert als Dreh- und Angelpunkt dieser Denk- und Wertwende neue, ganzheitliche Wissenschaftler, Manager und Politiker - ergänzt von Frauen beziehungsweise deren sogenanntem Fühl-Prinzip, das als „Beta-Stil“ den Führungsstil der ausgedienten „Alphas“ ablösen soll. Der neue Menschentypus soll das neue Denken nicht allein bewußtseinsmäßig verkörpern, sondern von seiner Schlüsselposition aus in der Gesellschaft realisieren.

nzwischen dringt das neue Denken tatsächlich in die Chefetagen vor. Ob dahinter auch der gewünschte Bewußtseinswandel am Werk war, ist schwer auszumachen. Festzustellen ist immerhin, daß die Umweltsensibilität in der Bevölkerung insgesamt zugenommen hat. Tatsache ist außerdem, daß systemtheoretisches Denken zunehmend Eingang in ökonomisches Handeln findet. Ökologisches Management im Tourismus ist eines jener Felder, auf dem unter neuen Vorzeichen an der Lösung gravierender Zukunftsfragen gearbeitet wird. Das Feld ist weit:

-Das ökologische Management hat in gewisser Weise eine Tradition. Nicht ohne Stolz bemerken Ökonomen, daß sie von jeher „ganzheitlich“ gedacht haben, nämlich ganz im Sinne von Betriebs- und Marktökonomie. Immer den End„verbraucher“ im Blick, waren sie doch stets am Wohl der Allgemeinheit orientiert. Daß jetzt über Umweltprobleme und veränderte Marktanforderungen die ökologische Dimension und die Langzeitwirkungen mit einkalkuliert werden müssen, erfordert lediglich ein Umdenken im Konzeptansatz - eine reizvolle Aufgabe für Nachwuchsökonomen, die damit auf zeitgerechte Weise die klassische Betriebswirtschaft modernisieren können, aber sicher nicht transformieren werden.

-Manager lieben offensive Strategien mehr als defensive, die ihnen ihre Handlungsspielräume einengen. Gesetzliche Auflagen und Verbote beispielsweise zwingen zum Reagieren. Mit der Möglichkeit aber, das Umweltthema offensiv in die Unternehmenspolitik zu integrieren, verhindern sie unter Umständen solche „hysterischen“ gesetzgeberischen Reaktionen auf Umweltprobleme und ermöglichen es den Unternehmen darüber hinaus, selbst zu definieren, was ein Umweltproblem ist und welche „machbaren“ Lösungen es gibt. Dadurch entsteht der groteske Effekt, daß ausgerechnet die Verursacher der Umweltschäden das Gesetz des Handelns bei Gegenmaßnahmen an sich ziehen. Das Problem wird offenkundig, wenn Veranstalter mit selbstgestalteten Umweltsignets ihre Angebote für „umweltfreundlich“ erklären oder beispielsweise der ADAC das „neue Denken im Tourismus“ fördert, dagegen eines der größten Umweltübel, den privaten Pkw-Verkehr, gänzlich ignoriert.

-Die neuen ganzheitlichen Manager erstellen zu strategischen Zwecken gerne Checklisten. Diese bilden den Bezugsrahmen bei der Einrichtung und Beruteilung umwelt- und sozialverträglicher touristischer Anlagen und sind gleichzeitig Ausdruck des eigenen Umweltverständnisses und der sozialen Bewußtseinslage. Im Zweifelsfall wird damit aber weniger die Umwelt- und Sozialverträglichkeit gemessen als vielmehr das, was Manager dafür halten.

-Um die neue Sicht des Tourismus anschaulich zu demonstrieren, ist die Szenario-Technik sehr beliebt. Hierbei kanalisieren Manager ihre Phantasien in Hinblick auf die gewünschten Zustände. Sie entwerfen Life-style -Szenarien, in denen sanfte touristische Elemente im Ensemble vorgestellt werden; beispielsweise das Modell eines Urlaubsortes, in dem Energie gespart und Müll vermieden wird, in dem der Verkehr beruhigt ist, in dem kreative Angebote gemacht werden, gesund gegessen wird und Landwirtschaft und Umwelt noch intakt sind. Angesichts zahlreicher realer sanfter Angebote fragte unlängst Theodor Geus in der 'FAZ‘, warum so wenig Menschen sich davon anlocken lassen. Man könnte ihm antworten, daß die darin zum Ausdruck gebrachten Schrebergartenphantasien nicht jedermanns Sache sind. Ganzheitliche Manager entdecken dahinter aber sicherlich einen Mangel an richtiger Werthaltung.

-Das Werte-Thema mögen die neuen Manager am liebsten. Denn ohne Unternehmensphilosophie und starke Leitlinien geht gar nichts. Im Werte-Thema verschränken sich für sie moralisches Rüstzeug, Elitedenken und Selbstlegitimation. Ganzheitliche Manager erdachten im Zuge der Wende das „weiche“, para -systemische Management, das im Sinne von Krippendorfs weiblichem Fühlprinzip die klassischen Methoden ergänzen und vor allem eines sicherstellen soll: eine aktive Unternehmenskultur als Substanz für „visionäre Zielsetzungen“ und „schöpferische Imagination“. „Das para -systemische Management, verlangt eine völlig neuartige 'Kultur der Indirektheit‘. Hierbei wird nicht das anstehende Problem direkt gelöst, sondern nur die klimatischen oder katalysatorischen Faktoren gestaltet (...). Para -systemisches Management organisiert das Nicht-Faktische bei der Problemlösung“ (P.Zimmer). Umgangssprachlich bezeichnet man dergleichen als „Mauscheln“.

er Gedanke liegt nahe, daß im Zuge abgewirtschafteter Unternehmensphilosophien und massiver Kritik an den Ausbeutungsindustrien eine Kultur der Unangreifbarkeit und Undurchsichtigkeit angestrebt wird, eine Kultur, die von sich obendrein behauptet, in einem Über-Sinn Widersprüche positiv zu vereinen. Es sieht so aus, als suche sich die Wirtschaft auch in Umweltfragen und Umweltkompetenzen eine absolute Führungsrolle zu sichern.

Literatur:

J.Krippendorf u.a. (Hrg.): Für einen anderen Tourismus, Franfurt/M. 1988

ders.: Möglichkeiten und Grenzen freizeitorientierter Umweltvorsorge in den Alpen. Vortragsmanuskript (1988)

M.Sietz und R.Miachelles (Hrg.): Umweltchecklisten für Manager, Taunusstein 1988

P.Zimmer: Entwicklung der fachlichen und persönlichen Qualifikation des touristischen Führungspersonals im Bereich Tourismus/Fremdenverkehr, inklusive Heilbäderwesen für das kommende Jahrzehnt. Prämierter Beitrag zum Ideenwettbewerb des Deutschen Seminars für Fremdenverkehr „Tourismusmanagement 2000“ (1989)

Tagungsberichte zur Fachtagung „Ökologisches Marketing im Tourismus“, 9.-10.2.1990 in München.