Ein Invalide kommt in Schwung

Der Tennisprofi Thomas Muster, vor einem Jahr schwer am Knie verletzt, arbeitet verbissen an seiner Rückkehr in die Top-Ten / Statt unter die Dusche geht der Österreicher nach dem Spiel lieber noch eine Runde trainieren  ■  Aus München K.-W. Götte

Thomas Muster zu charakterisieren ist einfach. Die fachlichen Etiketten für den 22jährigen österreichischen Tennisprofi stehen seit langem fest: „Arbeitstier“, „willensstark“, „ohne Genie“, „unerbittlich“, „Wühler“, „krankhaft ehrgeizig“. Auch beim Münchner ATP-Turnier scheinen sich auf den ersten Blick diese Zuordnungen wieder zu bestätigen.

Vergangenen Sonntag steht er bis zum frühen Abend in Monte Carlo im Finale. Am Montag nachmittag trifft er in München ein, zieht sich im Hotel kurz um und geht sofort eineinhalb Stunden auf den Trainingsplatz. Tags drauf macht er mit keinem geringeren als dem argentinischen Sandplatzspezialisten Perez-Roldan kurzen Prozeß. Anschließend sieht man Thomas Muster schon wieder trainieren. „Ich war im Spiel mit einigen Dingen bei mir nicht einverstanden“, meint er dazu nur lapidar.

Der Blondschopf aus Leibnitz in der Steiermark lebt seit seiner frühesten Jugend für seinen Sport. Schon damals ist er mit größter Leidenschaft dabei gewesen. Niederlagen schmerzten ihn noch mehr als heute. Seine Profikarriere beginnt er mit 16 Jahren, ein Jahr später schon steht er im Junioren-Finale der French-Open in Paris. Die Weltrangliste 1986 verzeichnet ihn auf Platz 47.

Der große Durchbruch gelingt zwei Jahre später: nach Monaten der Stagnation gewinnt Muster vier Turniere, und 1989 setzt sich diese Aufwärtsentwicklung fort. Semifinale der Australien Open, Finale in Key Biscayne. Am 1. Mai führt ihn die Computerliste auf Rang sechs.

Key Biscayne am 1. April ist leider nicht nur ein sportlicher Höhepunkt für den Österreicher. Nur knapp entgeht er dem Tod, als ihn ein betrunkener Autofahrer in Miami anfährt. Geschickt rollt er sich ab und rettet damit vermutlich sein Leben, doch im linken Knie reißt, was nur reißen kann: Bänder, Sehnen. Heute kann er darüber wieder scherzen: „Aus eienem Top-Ten-Spieler wurde plötzlich ein Invalide.“

Nur ein Typ wie Muster wird auch mit einem solchen Schlag fertig. Acht Tage nach der Operation macht er im Krankenhaus schon wieder gezielt Übungen für die Kondition, sein Freund und Manager Ronald Leitgeb baut ihm ein Holzgestell, auf dem er sein krankes Bein ablegen und mit einer Ballwurfmaschine trainieren kann. Was andere später ein Wunder nennen, er schafft es mit eisernem Willen: Im September spielt Thomas Muster bereits wieder in Genf Grand-Prix-Tennis.

Und heute befindet sich der Mann, der, wie er selbst sagt, sein „Hobby zum Beruf gemacht hat“, wieder auf dem Weg unter die besten Zehn der Welt. In München, nachdem sich die namhafte Konkurrenz - von Edberg bis Chang - ohne große Gegenwehr verabschiedet hat, setzt der Veranstalter jetzt besonders auf den populären Mann aus Österreich.

Auch der Teamchef des Davis-Cup-Teams, Niki Pilic, ist von ihm angetan: „Das ist kein blinder Ehrgeiz, er weiß nur was er will und als Tennisprofi tun muß.“ Kraftvoll aber langweilig, von der Grundlinie ohne größere Varianten, das sagen die Kritiker über sein Spiel, was Muster fragen läßt: „Was ist schon attraktives Tennis?“ Seine Maxime ist einfach: „Ich will erfolgreich spielen, danach richte ich mein Spiel aus. Gerade auf Sand muß man mehr können und taktischer spielen als anderswo.“

Trotzdem, Wimbledon ist für Thomas Muster kein Thema: „Ich finde zum Rasen, zu den Leuten, zu allem dort keine Einstellung.“ Ein Sieg in Paris, das wäre sein „Traum“. Warum auch nicht, vielleicht schon im Mai? Der Fastinvalide spielt besser denn je.