Innenminister beschließen über Deutschland

Die Innenministerkonferenz der Bundesländer tagt heute in Ost-Berlin / Gemeinsame Erklärung wird vom Leitbild des Föderalismus getragen / Regelungen für die innere Sicherheit, den Aufbau föderaler Strukturen und die Einrichtung kommunaler Selbstverwaltungen  ■  Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Die Innenminister der Bundesländer tagen heute erstmals in Ost-Berlin mit ihren zuständigen DDR -Kollegen. Dem Treffen kommt dabei mehr als nur symbolische Bedeutung zu. Im Anschluß an die vertrauliche Sondersitzung im Ministerium für Innere Angelegenheiten (MfIA) werden am Nachmittag die Vertreter der Innenministerkonferenz (IMK) zusammen mit dem DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel (DSU) vor die Presse treten und eine „Gemeinsame Erklärung“ vorlegen. In ihr werden „erste konkrete Schritte für eine umfassende und intensive Zusammenarbeit“ vereinbart. Ziel ist es dabei, „den deutschen Einigungsprozeß zu fördern und zur Verbesserung der Lebensverhältnisse beizutragen“.

Eine enge Verzahnung soll es insbesondere auf den Gebieten der inneren Sicherheit, dem Rettungswesen und dem Katastrophenschutz geben. Mit bundesdeutscher Unterstützung und einem Expertenaustausch soll darüber hinaus in der DDR eine kommunale Selbstverwaltung sowie rechtsstaatliche Staats- und Verwaltungsstrukturen aufgebaut werden.

In der „Gemeinsamen Erklärung“, für deren redaktionelle Fassung der BRD-Staatssekretär Ruder verantwortlich zeichnet, bekennen sich „beide Seiten“ zum Leitbild des Föderalismus . Erklärt wird: „Die Länderstruktur ist eine Grundbedingung für die deutsche Einheit.“ Das gleiche gelte „für die kommunale Selbstverwaltung, die es den Bürgern in Kreisen und Gemeinden ermöglicht, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich zu gestalten“. Im „Vorgriff auf eine Innenministerkonferenz aller deutschen Länder“ wird schließlich festgelegt, daß künftig sowohl DDR -Innenminister Diestel als auch der Minister für kommunale und regionale Angelegenheiten der DDR, Manfred Preiß, an der Innenministerkonferenz teilnehmen.

Grundlage der heutigen Beschlüsse bilden im wesentlichen die Beratungsergebnisse einer Sitzung der Staatssekretärsrunde vom 27.April, an der als Vertreter des MfIA Staatssekretär Müller teilnahm. Er vertrat gegenüber der IMK die Auffassung, der DDR gehe es „vorrangig“ um eine Zusammenarbeit bei operativen Maßnahmen, dem Ausbau der Kommunikationswege, und um Maßnahmen des Personenschutzes. Hinsichtlich einer Unterstützung durch die Bundesregierung oder die Bundesländer sei es sinnvoll, in „kurz beziehungsweise langfristig zu realisierende Maßnahmen zu unterscheiden“. Zu Sofortmaßnahmen zählen die Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung und eine Hilfe bei der technischen Ausstattung der DDR-Polizei.

Bereits vereinbart wurde bei dem Treffen zwischen Bundesinnenminister Schäuble und seinem DDR-Kollegen Peter -Michael Diestel am 18. April die Bildung zweier Arbeitsgruppen, die sich zum einen mit Fragen des Grenzabbaus und zum anderen mit der Terrorismusbekämpfung, der organisierten und der Rauschgiftkriminalität befassen sollen. Hinsichtlich des Personenschutzes hat der DDR -Innenminister bei seinem Bonner Kollegen Schäuble bereits einen Bedarf von 150 Beamten zum Schutz von Regierung und Volkskammervertretern angemeldet.

Im Bereich der Polizeiarbeit spricht sich die IMK für die umgehende Einrichtung einer gemeinsamen Verhandlungskommission aus. Durch unmittelbare Kontakte zu den DDR-Dienststellen soll die Fahndung und Identifizierung von Personen in der DDR verbessert werden. Angestrebt wird auch ein besserer Informationsaustausch und eine intensive Zusammenarbeit bei Falschgeldkriminalität, bei Rauschgift und Wirtschaftsdelikten sowie im Bereich des Terrorismus.

Die Innenminister der Länder erklären sich weiter bereit, „ausgewählte Experten der Führungsebene zur Beratungshilfe auf den Gebieten der Rechtsgrundlage, der Organisation und Arbeitsweise der Polizei für den Aufbau einer föderal strukturierten rechtsstaatlichen Polizei in der DDR zu entsenden“. Bislang sind dem Berliner Innenminister Diestel schon der frühere BKA-Chef Heinrich Boge und der langjährige Stuttgarter Landespolizeipräsident Alfred Stümper als Berater an die Seite gestellt worden. Vorgesehen ist nun auch eine wechselseitige Einbeziehung in die entsprechenden polizeilichen Meldedienste. Zum Problem des Fehlens jeglicher Datenschutzbestimmungen in der DDR heißt es, daß die beschleunigte Verbesserung der technischen Kommunikationsmöglichkeiten „unter Beachtung des notwendigen Datenschutzes“ geschehen soll.

Über den Export pensionsberechtigter Polizeistrategen in die DDR hinaus sollen kurzfristig Fortbildungsveranstaltungen für „polizeiliche Führungskräfte bzw. Experten der oberen und mittleren Ebene“ durchgeführt werden. Neben Ausstattungshilfen für die Volkspolizei (vorgesehen ist beispielsweise die Einführung von technischen Pilotinstallationen) wollen die Bundesländer den DDR-Polizisten auch ihre Dienstvorschriften und die Leitfäden der Polizei der Länder „überlassen“.