Baker bringt einen Koffer voll leerer Floskeln mit

Washington (taz) - US-Außenminister James Baker, so geht die amerikanische Zeitungssage, ist am Mittwoch mit einem Koffer voller neuer Ideen nach Europa abgeflogen, mit denen er es der Sowjetunion erleichtern will, ein wiedervereinigtes Deutschland zu akzeptieren. Doch der Koffer - davon konnte sich die taz in einer Reihe von Gesprächen mit höheren Beamten im State Department und im Weißen Haus überzeugen -, den James Baker mit nach Europa bringt, ist nur mit technischen Vorlagen und langweiligen Schriftstücken gefüllt. Für die Sowjetunion ist da jedenfalls nicht viel drin. Und auch diejenigen, die wie Außenminister Genscher immer noch glauben, am Fünfer-Tisch der 4+2-Verhandlungen über mehr als die Verkehrsregelung auf der Glienicker Brücke reden und entscheiden zu können, werden arg enttäuscht werden. Denn die Order für die amerikanische Delegation ist klar: Bei den 4+2-Verhandlungen hat es nur darum zu gehen, wie die noch verbleibenden Rechte der vier Mächte in Berlin zu terminieren sind. Entscheidungen über den Rahmen dieses Prozesses, über die Wiedervereinigung Deutschlands in der Nato und eine Rücksicht auf die sowjetischen Sicherheitsinteressen, dies alles gehört für die USA schon nicht mehr hierhin. Eine Entscheidung über die Nato -Mitgliedschaft des Teutonenreiches, so Außenminister Baker diese Woche, sei allein Sache der Deutschen und der Nato.

Die Inflexibilität der amerikanischen Verhandlungsposition muß die Sowjets zwangsläufig vor den Kopf stoßen. Denn sämtliche Versuche der Bush-Administration, den Sowjets das neue Nato-Deutschland schmackhaft zu machen, erschöpfen sich in leeren Versprechungen, reinen Lippenbekenntnissen oder leeren Floskeln:

-Falls den Sowjets die deutschen Streitkräfte Sorge bereiten sollten, so die USA, könnten sie ja deren Reduzierung bei den konventionellen Abrüstungsverhandlungen in Wien anstreben. Dort aber sind es ausgerechnet die Amerikaner, welche derzeit einen sowjetischen Abrüstungsvorschlag ablehnen, der auch eine Reduzierung der deutschen Truppenstärke beinhaltet.

-Um die Bedrohung durch ein Nato-Deutschland zu mindern, hat Präsident George Bush am Donnerstag den Verzicht auf eine Modernisierung der atomaren Kurzstreckenwaffen auf deutschem Boden angekündigt. Die neuen luftgestützten Abstandswaffen, deren Stationierung in Washington längst als Tatsache gehandelt wird, werden die Lance-Nachfolgerakete und die Nuklear-Artillerie allerdings sowieso überflüssig machen.

-Der KSZE-Konferenz mit ihren 35 Mitgliedsstaaten soll eine erweiterte Rolle bei der Konfliktlösung und im europäischen Dialog zugewiesen werden. Dies ist jedoch ein rein verbales Zugeständnis, da die USA in der Praxis krampfhaft darauf aus sind, die Rolle der von ihnen bisher dominierten Nato zu bewahren, um im zukünftigen Europa nicht weiter an Einfluß zu verlieren. Kurzum: Die US-Delegation wird versuchen, der Wiedervereinigung durch die Beendigung des Vier-Mächte -Status den alliierten Segen zu geben und gleichzeitig sämtliche Zugeständnisse an die Sowjetunion in die Zukunft zu verschieben. Aus Angst vor einer allzu raschen Veränderung des Status quo soll der von der Sowjetunion angestrebte große Wurf für ein europäisches Sicherheitssystem verhindert und die Verhandlungen über eine deutsche Einheit in einem beidseitig akzeptablen Rahmen fragmentiert werden.

Und wenn sich die Sowjetunion nicht fügt, auf einer umfassenderen Lösung des deutschen Problems besteht und so die 4+2-Verhandlungen blockiert?

Auch darauf hat man im Weißen Haus eine Antwort: Man werde die Sowjetunion „zu überzeugen versuchen, daß dies nicht in ihrem eigenen Interesse liege“. Sollte diese Machtpose keine Wirkung zeitigen, dann gibt es in Washington immer noch einige, die sich an die Sprache des Kalten Krieges erinnern: „Dann wird die Zukunft für die Sowjetunion nicht gerade rosig aussehen“, wie es eine hohe Beamtin aus dem Weißen Haus der taz gegenüber formulierte.

Rolf Paasch