Schüsse aus dem türkischen Konsulat

Wachpersonal des türkischen Generalkonsulats in München schoß am 1. Mai auf DemonstrantInnengruppe / Ein Türke von Splittermunition am Oberarm schwer verletzt / Fliehenden DemonstrantInnen wurde mehrmals nachgeschossen / Krisensitzung der Staatsanwaltschaft  ■  Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) - Sicherheitsbeamte des türkischen Generalkonsulats in München haben am 1.Mai aus dem Konsulatsgebäude heraus mehrmals auf eine Gruppe von DemonstrantInnen geschossen. Dabei wurde der 23jährige Nuri G. aus Ingolstadt von einer Splittermunition am Oberarm so schwer verletzt, daß er bereits zweimal operiert werden mußte. Er soll von einem in der Bundesrepublik verbotenen Dumdum-Geschoß getroffen worden sein.

Über Details des Geschehens gibt es unterschiedliche Angaben. Nach Aussagen der Demonstranten sind am 1. Mai gegen 14.45 Uhr etwa 50 TürkInnen vor das mehrstöckige Konsulatsgebäude in der Menziger Straße gezogen, um gegen die Politik in Ankara zu protestieren. Plötzlich seien aus den Fenstern des ersten und zweiten Stockwerks Schüsse abgegeben worden. Dabei wurde Nuri G. getroffen. Als die DemonstrantInnen abzogen, sollen Angehörige des Wachpersonals aus dem Gebäude herausgelaufen sein und nochmals auf die fliehenden DemonstrantInnen, die den Verletzten anschließend in das Krankenhaus „Barmherziger Bruder“ brachten, geschossen haben. Insgesamt seien zehn bis 20 Schüsse aus drei bis vier verschiedenen Waffen gefallen.

Die Münchener Polizei, die noch am 3. Mai den gesamten Vorfall abgestritten hatte, sprach gestern von 10 bis 15 DemonstrantInnen, die mit Steinen mehrere Fensterscheiben des Konsulats eingeworfen sowie ein Molotow-Cocktail geschleudert hätten. Der soll sich aber nicht entzündet haben. (Die DemonstrantInnen bestreiten allerdings vehement, daß sie überhaupt mit irgend etwas geworfen haben.) Wie der Pressesprecher der Polizei, Scherer, weiter berichtete, „sind dann von einem Sicherheitsbeamten Schüsse in die Luft abgegeben worden, ein Demonstrationsteilnehmer wurde dabei getroffen“. Der mutmaßliche Schütze sei der Polizei inzwischen bekannt, das Konsulat habe sich gegenüber den Ermittlungsbeamten „sehr zugänglich“ gezeigt. Die Polizei bestreitet die Existenz mehrerer Schützen. Erst am Abend des 3.Mai suchte die Kripo Nuri G. im Krankenhaus auf. Nach einer Krisensitzung der Staatsanwaltschaft sind inzwischen die Ermittlungen wegen versuchten Totschlags angelaufen.

Gegenüber der taz ging das Konsulat auf Tauchstation. Einen Tag nach dem Vorfall hatte man noch eine Meldung in das Boulevard-Blatt 'Abendzeitung‘ lanciert. Dort wurde dann ein „Brandanschlag auf das Generalkonsulat am 1.Mai“ vermeldet. „Zehn junge Türken“ seien „gröhlend“ vor das Gebäude gezogen und hätten selbstgebastelte Molotow-Cocktails gegen das Konsulat geworfen.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Bonn betonte, daß das Konsulatsgebäude zwar exterritorialen Status habe, jedoch jederzeit bundesdeutsche Rechtsnormen Anwendung finden, d.h. entsprechende Waffen müßten angemeldet sein und deren Träger eine Genehmigung dafür besitzen. Eine Sonderregelung im Freistaat Bayern, bei dessen Landesregierung das türkische Konsulat in München akkreditiert ist, gibt es nicht. Das Münchener Kreisverwaltungsreferat sah sich außerstande mitzuteilen, ob eine oder mehrere Waffen für das Generalkonsulat zugelassen sind.

Wenn der/die Schütze/n unter konsularischem Schutz stehen, ist deren Strafverfolgung unmöglich. Die Bayerische Staatsregierung könnte dann mit Zustimmung der Bundesregierung die entsprechenden Personen zur „persona non grata“ erklären und des Landes verweisen. Erst letzte Woche hat die Bundesregierung die Türkei aufgefordert, 15 Diplomaten wegen Bespitzelung türkischer Staatsangehöriger in der Bundesrepublik abzuziehen.