Blöde dazwischengequatscht

 ■ S T A N D B I L D

(Grand Prix Eurovision de la Chanson, Sa., 5.5., ARD, 21.00 Uhr) Schon vor der letzten Abstimmung, dem Votum aus Finnland, stand sein Sieg fest: Toto Cutugno, die italienische Billigausgabe von Adriano Celentano, gewann mit 149 Punkten den Grand Prix, der am Sonnabend im jugoslawischen Zagreb stattfand und dem via Television fast eine Milliarde Erdenbürger beiwohnten. Sein Titel: Insieme: 1992 (Zusammen: 1992), ein Plädoyer für Europa, für offene Grenzen und für die Möglichkeit, ohne bürokratischen Firlefanz zu reisen und zu lieben. Fast staatsmännisch, huldvoll, nahm er die Gratulationen entgegen. Keine Träne, kein Schluchzen, nein, der Mann wirkte, als habe er schon vorher gewußt, daß niemand ihm würde das Wasser reichen können. Vielleicht lag es daran, daß vom ersten Ton an den Hörern das Lied eingängig war. König Cutugno smilte nicht, warf dezente Handküsse ins Publikum und darf sicher sein, daß sein Lied an der gesamten Mittelmeerküste zum diesjährigen Sommerhit werden wird. Alle vorher zu Geheimfavoriten getuschelten Titel landeten hingegen im Abseits. Der ARD-Beitrag Frei zu leben, komponiert vom Altmeister Ralph Siegel, landete nur auf Platz 9. Und das, obwohl Sänger Daniel Kovacs fehlerfrei, ohne Tonlagenabstürze, den Parcours absolvierte. Auffällig: Die skandinavischen Frischwärtslieder, die in den vergangenen Jahren die vorderen Ränge besetzt hielten, hatten heuer keine Chance. Die 17jährige Dänin Lonnie Devantier schaffte zwar Platz 8 mit Hallo, Hallo, doch der blütenweiße Happysound scheint aus der Mode gekommen zu sein. Mit einer Ausnahme, die gleichzeitig überraschte: Das isländische Duo Stjornin, das schrittweise an ein lateinamerikanisches Tanzpaar erinnerte, zeigte, daß bei den Geysiren nicht nur Geröllmusik gepflegt wird, sondern auch mit nasekrausem Lächeln heftig und groovig geswingt wird. Zeitgeistanbiedereien wie aus Österreich mit Keine Mauern mehr oder Norwegen mit Brandenburger Tor nahmen die Juries zur Kenntnis - und waren verstimmt. Die breitbeinig -vulgäre Simone aus Wien kletterte immerhin auf den 10. Rang, doch gegen den Norweger Ketil Stokkan wurde die Höchststrafe verhängt: letzter Platz. Blieben noch die Französin Joelle Ursull mit ihrer Reggaeanleihe White and Black Blues und der Ire Liam Reilly mit Somewhere in Europa - beide belegten den 2. Platz.

Modische Trends wurden keine gesetzt: bei den Damen dominierten engsitzende Minikombinationen, bei den Herren Drei-Tage-Bart und frackähnliche Anzüge. Das jugoslawische Moderatorenduo gab sich auf der im Swimmingpoolstil gemodelten Bühne redlich Mühe, westliche Standards zu erreichen. Und was den deutschen Sprecher Fritz „Dingsda“ Eigner anbetrifft: So blöde und viel dazwischen gequatscht hat seit Jahren niemand mehr.

Jan Feddersen