Nicaragua

■ betr.: "Was wird aus Nicaraguas Avantgarde-Partei?", taz vom 25.4.90

betr.: „Was wird aus Nicaraguas Avantgarde-Partei?“,

taz vom 25.4.90

In seinem Artikel schreibt Michael Rediske sicher zu Recht, daß die FSLN sich in Folge interner (hierarchische Struktur) und externer (Ausnahmesituation Krieg, Wirtschaftsboykott...) Faktoren zu einer immer zentralistischeren Partei entwickelte, „die den Kontakt zur Basis so sehr verloren habe, daß sie nicht einmal die hohe Wahlniederlage vorhergeahnt habe“. Einmal abgesehen davon, daß noch nicht ausgemacht ist, wie sehr die FSLN den Kontakt zur Basis verloren hat, scheinen mir seine Folgerungen und Überlegungen zum „Ende der Avantgarde-Parteien“ doch überstürzt und der vorschnelle Vergleich mit dem Schicksal der leninistischen Parteien in Europa unzulässig. Sollten wir uns als Linke nicht doch ein wenig mehr konkrete historische Kritik leisten?

Das Problem besteht doch unter anderem gerade auch darin, daß die Linke „das Volk, die Klasse...“ eher immer überschätzt hat und politische Probleme immer dort auftauchen, wo die Enttäuschung über das Volk, zu Distanz, Gängelung und Mißachtung führten: „Sowenig die 48 Prozent DDR-BürgerInnen, die sich am 18. März Allianz-versichert haben, gegen ihre Interessen gehandelt haben...“: Ist es dieses Volk, dem Michael Rediske „eigene Autonomie“ zugestehen will? Nein, nicht „die Zeit der Avantgardeparteien ist nun wirklich vorbei“, sondern die Vorstellung, daß „das Volk“ unter allen Bedingungen den wahren Idealen, den revolutionären Wahrheiten (und das ist keine Ironie!) folgt. Es gilt vielmehr: Wer den NicaraguanerInnen böse ist, daß sie die Reaktion wählten, nimmt das Volk nicht ernst. Trotzdem hat das nicaraguanische Volk falsch gewählt!

Die Rechte hatte nie Schwierigkeiten, mit dem Avantgardeprinzip, sie belügen, betrügen und bestehlen das Volk, und es geht ihnen gut dabei, denn sie haben keine moralischen Ansprüche.

Die Linke aber kommt ohne ihre Überzeugung, die Wahrheit zu haben, nicht aus. Und zu allem Überfluß muß sie dabei auch noch ihrem moralischen Anspruch genügen. Hier liegt das Problem: Mittel und Methoden, Strukturen zu finden, von der Wahrheit zu überzeugen: Menschen zu überzeugen. - Und notfalls, wenn das Volk „zu dumm ist“ auch abzutreten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist von einer linken Partei gefordert. Deshalb gilt: Am Ende ist nicht die Avantgardepartei; nicht wer die Mehrheit hat, hat auch recht. Alles andere ist bornierter Populismus.

Michael Ramminger, Münster