Wenn alles egal ist

■ Die Turn-EM als schlechte Werbung für Olympia 1996

Wer kennt nicht das gemütliche, geruhsame, immer warme Griechenland mit den temperamentvollen Bousoukiklängen, Souvlaki, Mousaka und den vielen RucksacktouristInnen, das glasklare Wasser und den nur selten überfüllten Stränden? Eine Erholung schon für die, die nur an das weiß-blaue Land denken, die das Tagträumen noch nicht verlernt haben.

Ein jähes Erwachen aber für die, die dort arbeiten müssen. Die Turn-EM in Athen, mit Werbung für die „Goldenen Olympischen Spiele 1996“ mehr als nur angereichert, erwiesen sich als unangenehmer Vorbote griechischen Vorhabens. Arbeitseinsatz und Organisationstalent gleichen einem dreiwöchigen Sonnenurlaub am gleichen Strand, am gleichen Fleck: Irgendwie geht das schon vorüber!

Mußten beim ersten Podiumstraining die Turnerinnen die Musik ihrer Bodenkür noch aus kleinen Kassettenrekordern scheppern hören, so waren beim offiziellen Test am Tag vor dem Wettkampf gleich sieben eifrige Helfer im Einsatz, um den Schalter für das Hallenlicht zu finden - was freilich erst zum Wettkampf gelang. Die Turnerinnen mußten sich eben umstellen: Jedes Gerät war anders beleuchtet als beim „Testtag“.

Wozu soll es auch vorher schon so sein, wie es später sein muß? 1996 werden die Spiele „golden“ sein. Die Plakate verheißen es. Egal, wenn jetzt die Post streikt und die Übermittlung der Berichte statt 40 Sekunden 60 Minuten dauert. Wen kümmert's? Ist doch auch egal, wenn die Busverbiundungen in Athen einer Katastrophe gleichen, wenn ein Dutzend Taxifahrer den Fahrgast abweist, weil niemand die Straße kennt; egal auch, wenn mal ein Pendelbus verschollen ist oder ein Termin platzt.

„Sorry, I am Greece“, heißt es den ganzen Tag, entschuldigend oder als Ausrede, von Improvisation keine Spur. Sollten die Organisationstalente bis zur Olympiade nicht jede Menge dazulernen, werden dort nur Retsina und Ouzo fließen wie geschmiert. Yassu!

Thomas Schreyer