Nach der Fete wollten sie „Neger aufklatschen“

Schwere rassistische Ausschreitungen gegen Mosambikaner in Hoyerswerda am 1. Mai / Allein im April waren deshalb 14 Polizeieinsätze notwendig / Deutsche BetreuerInnen raten von Besuchen in Kneipen und Diskotheken ab  ■  Von Christian A. Thiel

Hoyerswerda (taz) - Blutüberströmt liegt am 1. Mai ein junger Mosambikaner auf der Fahrbahn der Ernst-Thälmann -Straße. Vier jugendliche Deutsche haben ihn so verprügelt, daß er mit schweren Prellungen vor allem am Kopf ins Krankenhaus eingeliefert wird. Ihr erklärtes Ziel: der an die Straße grenzende Rummelplatz müsse „negerfrei“ sein. Wie die Volkspolizei später feststellte, haben sie sich mit zahlreichen anderen Jugendlichen auf einer privaten Feier verabredet, zum Rummelplatz zu gehen, um hier „Neger aufzuklatschen“.

Im nahegelegenen Wohnheim der Mosambikaner verbreitet sich die Nachricht vom Überfall auf ihren Landsmann schnell. Sie sind empört. Vierzehn Mal wurde die Volkspolizei im April gerufen, um Streitigkeiten zwischen deutschen Jugendlichen und den ebenfalls noch jungen Mosambikanern zu schlichten. Immer waren Pöbeleien der Weißen gegenüber den ausländischen MitbewohnerInnen die Ursache gewesen. Nun ist das Faß für sie übergelaufen. Mit Stöcken bewaffnet ziehen etwa 50 Mosambikaner zum Rummelplatz. Erwartet werden sie dort von 150 bis 200 Deutschen. Eine wüste Prügelei beginnt, bei der das ungleiche Zahlenverhältnis die Mosambikaner immer wieder zum Rückzug zwingt.

Schließlich flüchten sie - von ihren BetreuerInnen dazu gedrängt - in ihre Wohnungen. Die Gewalt hat damit jedoch kein Ende. Als die Mosambikaner von ihren Balkonen aus die Beschimpfungen der Weißen beantworten, beginnen diese, mit Steinen zu werfen. Dreißig Fensterscheiben gehen zu Bruch, viele Balkonverkleidungen werden zerstört. Verfolgt werden die Ausschreitungen von etwa 1.500 Schaulustigen, AnwohnerInnen und PassantInnen. Ihre Reaktion reicht von reiner Schaulust über wohlwollende Zustimmung bis zu anfeuernden Rufen. Auch viele ältere Menschen lassen dabei ihrem Haß auf „die Neger“ freien Lauf. Eine Betreuerin der Mosambikaner berichtet: „Nur einer, ein kirchlicher Mitarbeiter, hat versucht, die Jugendlichen zurückzuhalten, aber er wurde auch von ihnen angegriffen.“

Erst nachdem sie alle Polizisten des Kreises Hoyerswerda zusammengerufen und mit Schlagstöcken, Helmen und Schildern ausgerüstet hat, gelingt es der Volkspolizei, die Ausschreitungen zu beenden. Mit Hilfe zahlreicher Schäferhunde können sie die Jugendlichen vom Wohnheim vertreiben.

„Es war der erste Einsatz dieser Art“, sagt der Pressesprecher der Volkspolizei in Hoyerswerda, Peter Bergmann. Solche gewalttätigen Ausschreitungen hätten sie bislang nur aus dem Westfernsehen gekannt. Seine Prognose für die Zukunft ist düster: „Wir gehen davon aus, daß es solche Vorkommnisse verstärkt geben wird.“

Die Stimmung unter den Mosambikanern ist nach den rassistischen Ausschreitungen vom 1. Mai sehr gedrückt. „Die meisten wollen zurück in ihr Heimatland“, meint eine ihrer BetreuerInnen. Sie können die massive Ablehnung durch die Deutschen nicht verstehen, die sie Tag für Tag zu spüren bekommen.

Vom Staat zur Verringerung des Arbeitskräftemangels in der örtlichen Braunkohlenindustrie ins Land geholt, war ihnen die Teilnahme am öffentlichen Leben von Hoyerswerda schon immer weitgehend verwehrt: Ihre BetreuerInnen raten ihnen von Besuchen in Kneipen, Restaurants und Diskotheken ab. So hoffen sie, Konflikte mit Deutschen zu verhindern. Daß diese Strategie der Absonderung von den Deutschen die Vorurteile gegen die 230 am Ort lebenden Mosambikanern nicht verringern kann, ist den BetreuerInnen bewußt. Sie fordern mehr Kontakte zwischen Deutschen und AusländerInnen, vor allem zu Jugendgruppen.

Entsetzt sind sie über die Reaktion der Bevölkerung in Hoyerswerda. „Meine Kinder kamen aus der Schule und meinten, die Mosambikaner hätten die DDR-Bürger angegriffen“, erzählt eine Betreuerin. Eine Solidarisierung findet nur mit den Tätern statt.

Als Gründe für die wachsende Ausländerfeindlichkeit in Hoyerswerda machen die BetreuerInnen zweierlei aus: Da ist zum einen eine wachsende Angst vor Arbeitslosigkeit bei den Jugendlichen. Die Zukunft der Braunkohle ist ungewiß, und Hoyerswerda lebt davon. Und dann entsteht zum anderen bei vielen der Eindruck, sie könnten jetzt, nach der Beseitigung der alten Ordnung, machen, was sie wollen.