Mit mehr Ach als Krach zur Kommunalwahl

Kommunalwahl wirkt wie eine Pflichtübung / Durchschnittliche Teilnahme an den Wahlveranstaltungen bewegte sich bei Wählern und Politikern im Verhältnis 1:3 / SPD ging mit ihrem importierten OB-Kandidaten aus Hannover als einzige in die Offensive  ■  Aus Leipzig Stefan Schwarz

Die bloße Orientierung auf die große Politik in den vergangenen Wochen machte die für das unmittelbare Bürgerwohl entscheidendere Kommunalwahl fast zur Pflichtübung. Der Kommunalwahlkampf in Leipzig jedenfalls erweckte bei Beteiligten und Beobachtern den Eindruck, daß mit der Stadt auch der Sinn für das Gemeinwesen zerfallen sein muß.

Denn abgesehen von der kurzen Vorbereitungszeit und den Kader- und Profilierungsnöten aller Parteien und Organisationen, war das Bevölkerungsinteresse an den zukünftigen Kommunalpolitikern enttäuschend matt.

Die durchschnittliche Teilnahme an den Wahlveranstaltungen wurde auf das Verhältnis 1:3 (Politiker/ Bürger) geschätzt. Noch zwei Tage vor der Wahl konnten sich 131 Wahlvorstände der Stadt Leipzig noch überhaupt nicht konstituie- ren.

Das verbreitete Desinteresse an Kommunalpolitik mutet in einer Stadt mit so gravierenden Problemen wie Leipzig merkwürdig an. Ein Blick auf die Wahlprogramme deutet einen der Gründe an: die relative Austauschbarkeit der Vorstellungen im Hinblick auf die Stadtsanierung, Umweltschutz, Wirtschaftsförderung etc. Allein bei den Grünen und der Fraueninitiative Leipzig (FIL), die in jedem Wohnbezirk präsent ist, zeigten sich schärfere Akzente. Ein ehemals beabsichtigtes Zusammengehen dieser mit dem Bündnis 90 kam nicht zustande.

Auf sich allein gestellt, erwiesen sich die Grünen als großzügig und überließen die Hälfte ihrer Listenplätze unabhängigen Bürgern, die in verschiedenen Initiativen grüne Ziele verfolgen. Ganz und gar unabhängig auch von jeder Liste kandidierten Superintendenten Margirius, ein prominenter Kirchenmann, und zwei weitere Wissenschaftler ihres Leipziger Stadtparlaments. Margirius, der schon am Runden Tisch als Vermittler fungierte, dürfte bei schwierigen Mehrheitsverhältnissen im Abgeordnetenhaus seinen wesentlichen Einfluß behalten.

Bei aller parteien- und organisationsübergreifenden Einigkeit für eine starke Kommune: den Knackpunkt im Demokratieverständnis gab es in diesem Wahlkampf in Leipzig natürlich auch. Der Vorschlag zur Errichtung eines Dezernats für Gleichstellung nicht nur von Geschlechtern, sondern auch Rassen und Kulturen kam nicht einmal bis zum Runden Tisch durch und wandelte sich schon in der Frauenkommission in den Händen von PDS und DFD in Amt für Frau und Familie. Das erregte einigen Unmut und gab der SPD Gelegenheit, nicht unfortschrittliche Wahlversprechen abzugeben, die ihre Wirkung auf bürgerbewegtes Publikum nicht verfehlen dürften.

Überhaupt ging die SPD in Leipzig fast als einzige in die Offensive.

Mit ihrem aus Hannover importierten Kandidaten Lehmann -Grube trifft sie gegenüber der maulfaulen CDU und der völlig unhörbaren DSU die ganze Breite kommunalpolitischer Schwerpunkte und verbreitete einen äußerst konzeptionellen Eindruck.

Die CDU vertraut offensichtlich auf Wahlverhältnisse vom März und macht sparsame Aktionen. Auf Unterscheidbarkeit legte selbst CDU-OB-Kandiat Ahnert kaum Wert. „Herr Lehmann -Grube hat alles gesagt, was wir auch sagen würden“, verkündete er am 1. Mai im Clara-Zetkin-Park. Wozu dann alles?