Kommunisten bekommen Konkurrenz

■ Sozialdemokratische Partei in der Russischen Föderativen Sowjetrepublik gegründet/Gesamtsowjetische Partei wird nicht aufgebaut/Mitgliedschaft in der Sozialistischen Internationale angepeilt ...

An diesem fliederduftenden Wochenende schlossen sich die russischen Sozialdemokraten mit zahlreichen Gästen von der Außenwelt ab, um das „Aroma der Erneuerung“ zu erzeugen. Gegründet wurde die SDPRF. Bewußt konzentriert sich diese Parteigründung auf die Russische Föderative Sowjetrepublik , die immerhin gut die Hälfte der Sowjetunion einnimmt, von Wladiwostok am Chinesischen Merer bis zur Finnischen Grenze. Eine gesamtsowjetische Partei erscheint heute einfach unzeitgemäß. Auch Rußland, so meinte die überwältigende Mehrheit der Anwesenden, muß, wie alle anderen Sowjetrepubliken, zuerst seine eigene Souveränität finden, ehe neue, engere Bündnisse möglich sind. Auch ist das Erbe in den baltischen Republiken existieren bereits sozialdemokratische Parteien für die Zeit ihrer verfassungsmäßigen Wirksamkeit vor dem zweiten Weltkrieg liegt noch nicht weit zurück. In Georgien dagegen, ist der historische Abstand genauso groß, wie in Rußland, dafür aber die Tradition ruhmreicher: 1918 bis 1920 war dies der erste sozialdemokratisch regierte Staat der Welt. Neugründungen stehen in Weißrußland, Moldawien und Kirgisien ins Haus. Alle diese Parteien sollen sich wie bisher ihre Sympathisanten auch weiterhin in der „Sozialdemokratischen Assoziation“ zusammenschließen, eine „Internationale“ im Rahmen der bisherigen Sowjetunion. Doch schon wurden Wünsche nach weiterer nationaler Differenzierung laut. Eine Gruppe von Kongreßdelegierten aus Karelien, Otmotien und Schuwasien forderten das Recht, als eigenständige Parteien auch innerhalb der Russischen Föderation. Der Gründungskongreß trug dem Rechnung: Die Winzlingsparteien sollen zwar in die SDPRF integriert werden, aber aufgrund beidseitiger und kündbarer Verträge. Die Rose in der stilisierten Faust beherrschte als Emblem den Saal und zeigte die angestrebte Verbindung zur westeuropäischen Sozialistischen Internationale. Deren Unterstützung für die russischen Gesinnungsbrüder fällt eher moralisch als materiell aus, weil es sich die EG-Sozialdemokraten mit Gorbatschow nicht verderben wollen.

„Das Gespenst des Kommunismus geht noch immer um, nur ist es nicht mehr der Geist der Zukunft, sondern der Schatten der Vergangen“, rief Alexander Mitrifanowitsch Obulenskij in den Saal, Volklsdeputierter und frischgebackener Sozialdemokrat. Und er gab auch gleich einen Grund für die wichtigkeit der neuen Partei an: „Bei der Verteidigung ihrer Schätze und Privilegien kann der konservative Apparat in unserem Staat noch immer bis zu einem Putsch gehen. Im Hintergrund freuen wir uns über jegliche Stärkung demokratischer Kräfte , die eine friedliche Übergabe der Macht anstreben.“ Die großen Namen der Vorväter Markov, Sulitsch, Zwereteli wurden in dem Saal mehr als einmal genannt. Doch eben so wie die Geister dieser Vorfahren schieden sich auch die der Anwesenden. Da gab es Vertreter der sogenannten „Leningrader PLattform“, die den zukünftigen zentralen Parteiorganen nur eine „empfehlende Kompetenz“ zubilligen wollten und die „Moskauer Plattform“, deren Grundsatzpapier ein Zentralorgan mit Entscheidungskompetenz vorsah. Die letzte Konzeption siegte schließlich, wurde aber stark modifiziert.

Ob sie die Geschichte wirklich erneuert, oder als Farce von de Spaltung der Bolschewiki von der Menschewiki noch einmal wiederholt - dies muß die Sozialdemokratische Partei Rußlands noch beweisen. Eines steht fest: Mit der KPDSU will man keinerlei Koalition eingehen. Prominente Abgeordnete des Obersten Sowjets, wie Juri Afanasjew oder Ilja Saslawski sagten ihre Unterstützung für die neue Partei zu, konnten sich aber zu einem Beitritt noch nicht entscheiden. Parteineugründungen sind in Moskau gegenwärtig schon fast ein Gesellschaftsspiel.