Bremerhaven romantissimo

■ Carlo Bergonzi, der Spitzentenor der 50er, sang sich in Bremerhavener Herzen

Im Bremerhavener Musentempel, einem in den 50er Jahren wiederaufgebauten Prachtbau, fand ein Galaabend statt, wie ihn das Haus wahrscheinlich in den 20er-Jahren zuletzt gesehen hatte - als die Weltstars des Belcanto auf dem Weg in die Neue Welt und auf die Bretter der Met in Bremerhaven gastierten.

Ein findiger Kaufmann mit Liebe zur Oper hatte jetzt den Einfall, Carlo Bergonzi, den Spitzentenor der 50er- und 60er -Jahre, für das Stadttheater zu engagieren und ihm die junge Sopranistin Helen Bickers zur Seite zu stellen. Das Stadttheater hielt sich aus dem teuren Abend heraus, vielleicht fürchtete es eine Pleite.

Kaufmann Dieter Malchow startete die italienische Nacht auf eigenes Risiko. 30 000 DM kostete allein Carlo Bergonzi, das städtische Orchester, der Saal, das Bühnenbild mußten dazugemietet werden. Die horrenden Eintrittspreise von 40 -150 DM werden die Kosten kaum gedeckt haben.

Malchow hatte sich nicht verrechnet, die 720 Gala-Karten wa

ren zwei Monate vor dem 6. Mai innerhalb von zehn Tagen ausverkauft. Sonntagabend sammelten sich also die Gäste vor dem Theater. Damen und Herren in schwarz und weiß, in Frack und Abendgarderobe, der Champagner, Linstant Taittinger (0,1l)

kostete 10 DM, das Programmheft 20. Das städtische Orchester unter der Leitung von Leo Plettner mußte sich erst einspielen, ehe es die nötige Geschmeidigkeit für den italienischen Schmelz der beiden Solisten erreichte: für Helen Bickers warme Stimme, mit

gelungenen Crescendi und schönen Pianopassagen bis in höchste Höhen, für den 66jährigen Carlo Bergonzi, dessen Gesang die „bronzene Farbe und der metallische Glanz“ seiner besten Jahre noch anzuhören war.

Das Programm beschränkte sich mit wenigen Ausnahmen auf Arien und Duette aus Verdi-Opern, Puccini kam leider viel zu kurz. Es war ein Potpourri aus Highlights, die das Publikum zu fortwährenden Bravo- , Brava- , Bravi-Rufen hinrissen und zu einem 35-minütigem Schlußbeifall, der nur von fünf Zugaben unterbrochen war. Für Bremerhaven eine geradezu italienische Hitzigkeit. Bergonzi und Bickers wirkten denn auch gerührt, und das Publikum war ergriffen vom Belcanto und von sich selber. hans happe