Keine Oppositionskoalition von CDU und PDS

■ Mit über 30 Prozent wurde die PDS in Ost-Berlin zweitstärkste Partei / Die taz sprach mit dem Ostberliner PDS-Vorsitzenden Wolfram Adolphi über dieses Ergebnis und Perspektiven der Partei / PDS hofft auf Abkehr der SPD vom starren Nein

taz: Was sind Ihrer Ansicht nach die Ursachen für dieses Ergebnis?

Wolfram Adolphi: Ganz offensichtlich ist der Erneuerungsprozeß der Partei, der sich in Transparenz vollzogen hat, von einem stabilen Drittel der Berliner Wähler angenommen worden. Sicher auf unterschiedliche Weise, aber es zeigt in jedem Fall, daß die PDS als politische Kraft in das Bild Berlins, der Hauptstadt der DDR, hineingehört. Neben der Transparenz zählte aber sicher auch unsere kommunalpolitische Aktivität, wir haben Hunder te von Versammlungen zur Vor stellung unserer Kandidaten ge habt...

Davon hat man aber nicht soviel gemerkt

Das war sicher die Hauptschwäche in unserem Wahlkampf, wir haben zuwenig angekündigt. Dennoch ist offensichtlich, daß eine Fülle von Kandidaten deutlich gemacht haben, daß sie für konkrete kommunal- und gesamtpolitische Ziele einstehen, das nimmt uns in Verantwortung, und der wollen wir gerecht werden.

Könnte das gute Abschneiden der PDS in Berlin damit zusammenhängen, daß hier sehr viele ehemalige Stasi -Mitarbeiter leben, die jetzt die PDS gewählt haben?

So eine pauschale Wertung, daß jetzt alle ehemaligen Stasi -Mitarbeiter einen PDS-Wählerstamm bilden, das halte ich für eine grobe Vereinfachung, die von unseren anderen Wählern ablenkt. Aber über unseren Wählerstamm wollen wir uns in den nächsten Monaten, nach der Wahlkampfhektik, auf jeden Fall tiefgründiger auseinandersetzen; neben soziologischen Untersuchungen auch durch intensive Begegnungen.

Alle anderen Parteien haben bereits im Vorfeld eine Koalition mit der PDS ausgeschlossen. Bleibt es dabei, ist die PDS im Ostberliner Stadtparlament in der Opposition, möglicherweise zusammen mit der CDU. Wie kann das denn aussehen?

Also, eine Oppositionskoalition wird es nicht geben. Wir werden nicht, um die Isolierung zu durchbrechen, die Plöcke, die wir programmatisch eingeschlagen haben, wieder herausziehen und uns damit anbiedern. Aber natürlich werden sich in einzelnen Fragen, zum Beispiel bei der Sicherung von sozialen Leistungen, gemeinsame Positionen ergeben. Hier heißt es für uns: Bürgerinteresse geht vor Parteieninteresse. Und natürlich werden sich daraus oft auch Übereinstimmungen mit der Regierung ergeben.

Also einerseits, andererseits: die PDS-Haltung mal im Einklang mit der Regierung, mal im Einklang mit der Opposition?

Das ist schwierig, ich habe eine solche Situation noch nicht durchlebt. Ich denke, eine rasche und klare Entscheidungsfindung hat Vorrang. Ein Beispiel: Wir treten jetzt dafür ein, die Stadtverordnetenversammlung und die Stadtbezirksversammlungen rasch handlungsfähig zu machen. Wenn darüber alle Parteien einig sind, werden wir natürlich aus parteiegoistischem Interesse nicht dagegen sein.

Wie wir uns weiter qualifizieren können und der demokratischen Rolle einer Oppositionspartei tatsächlich gerecht werden, da müssen wir uns hineinarbeiten, hineinlernen geradezu.

Würde die PDS eine Minderheitenregierung der SPD tolerieren?

Wir haben noch keine Präsidiumssitzung gehabt, in der wir uns über all diese Varianten verständigt hätten - aber die würden wir tolerieren, ganz bestimmt.

Können Sie sich vorstellen, daß die SPD von ihrem Nein zur PDS abweicht?

Ich wünsche es mir und kann es mir auch vorstellen. Ich halte das Nein der SPD für sehr kurzsichtig. Ich höre keinen Satz, der uns programmatisch auseinanderbringt, sondern ich höre immer nur, daß die PDS erst beweisen muß, daß sie sich gegenüber der alten SED erneuert hat. Das ist für mich etwas, was an den wirklichen Bedürnissen der Stadt vorbeigeht. Uns haben immerhin dreißig Prozent der Wähler unterstützt, das muß man als demokratische Partei ernst nehmen.

Trotz all Ihrer Freude über das gute Abschneiden der PDS: Sind Sie nicht auch dankbar, jetzt erst mal in der Oppositionsrolle zu sein?

Natürlich wissen wir, daß wir eine solche Rolle für eine wirkliche Erneuerung der Partei brauchen. Die Frage ist bloß, ob wir als Opposition wirklich demokratisch akzeptiert und angenommen wer den.

Wie lange, glauben Sie, dauert es, bis die PDS aus ihrer Isolation herauskommen kann?

Selbst wenn wir unseren Erneuerungsprozeß, wie wir es vorhaben, mit aller Transparenz vollziehen, werden die Angriffe auf uns, glaube ich, nicht geringer werden. Es wäre ein leichtes, uns wegen unserer Vergangenheit zu kritisieren, aber wir werden gegenwärtig schon wegen unserer jetzigen Positionen kritisiert.

Wäre es unter diesen Voraussetzungen nicht besser, die PDS aufzulösen und sich als linker Flügel der SPD anzuschließen?

Ich halte die Auflösung nicht für sinnvoll. Ich glaube, daß sich unser Programm von der SPD unterscheidet, daß es weiter geht. Einen solchen Schritt, als linker Flügel der SPD, den würde ich irgendwann später diskutieren wollen. Bis dahin möchte ich in einer demokratisch gereiften und programmatisch für Deutschland auch attraktiveren PDS leben und arbeiten.

Gibt es Ambitionen der PDS, sich auf West-Berlin oder Westdeutschland auszudehnen?

Wir wollen eine Partei sein, die in ganz Deutschland attraktiv und politisch akzeptabel ist, insofern ja. Meiner Meinung nach kann sich das im Einigungsprozeß voll ziehen.

Was wünschen Sie sich für ein Gesamt-Berlin?

Überhaupt nichts Deutschtümelndes. Ich wünsche mir ein wirklich europäisches Ost-West-Nord-Süd-Drehkreuz, Berlin als Hauptstadt in einem Gefüge von wichtigen Funktionen, und hoffe sehr, daß es ein demokratisch verfaßtes Berlin sein wird. Mit Bürgern, denen an parlamentarischer und außerparlamentarischer Demokratie gelegen ist. Also: Berlin als europäische Vision im Einklang mit demokratischer Verfaßtheit.

Interview: Martina Habersetzer