Atompilze und Nachtromantik

■ Die Profi-Täuscher stellen aus: ShowTech '90 in den Messehallen

Die sich immer schon wünschten, ihre Feinde im Boden zu versenken, sollten zwecks fachlicher Beratung in den nächsten beiden Tagen auf einen Sprung in den Messehallen vorbeischauen. Die Aussteller der ShowTech '90 würden dann eventuell noch das „Blütenstaubfeuer in Atompilzform, 3 Meter Höhe“ empfehlen. Wer seine Nächsten lieber an Herzinfarkt verenden lassen will, könnte zur „Maschinenpistole, täuschend echtes Mündungsfeuer und Knall“ greifen. Und Kreuzberger Nachtromantik verspricht ein „ferngesteuertes Lagerfeuer“, per Kopfdruck zu zünden.

Wir sind im Land der Profi-Täuscher. So verspielt die Details sind, es geht ums große Geld. Auf immerhin 7 Milliarden Mark schätzt man den Umsatz der Show- und Kongreßveranstalter in der Bundesrepublik. Doch so prächtig die Zahlen, es scheint auch Probleme zu geben. Karl-Albert Winkler vom Verband der Stadt- und Mehrzweckhallen verweist auf den enormen Aufwand bei heutigen Top-Veranstaltungen. So würden „Stars wie Tina Turner auf Freiluftkonzerte ausweichen, weil die sonst ihre Gage nicht verdienen“. Das immer mehr an Technik schlägt als Bumerang auf die Ausrichter zurück. Kleine Veranstaltungsorte werden unrentabel, nur noch Top acts haben eine Chance, die nötigen Zehntausende Besucher anzulocken. „In der DDR mit ihren im öffentlichen Leben viel stärker genutzten kleinen Spielstätten wird man sich ganz schnell marktwirtschaftlich umorientieren müssen“, so Winkler, einige Bühnen werden das nicht überleben.

Und im Westen Deutschlands? Mit immerhin 400 neuen Versammlungsorten rechnet man für die nächsten zehn Jahre, zusätzlich zu den schon bestehenden 5.000. Die Freizeitgesellschaft braucht Räume. Und wo nach amerikanischem Muster Kultur gefordert ist, muß man sie auch dementsprechend finanzieren können. Deswegen gibt es auf dem die Messe begleitenden Kongreß auch zwei Hauptthemen: die Technik und deren Organisation. So sollen Marketingfachleute „Rezepte geben, wie Hallen gefüllt werden“, Sponsoringkonzepte erörtert werden, „um zu erträglichen Eintrittspreisen zu kommen“. „Wenn ich sehe, wie die Jugendlichen 30, 40 Mark über den Tresen schieben, da frage ich mich immer, wo die das Geld verdienen“, so Winkler. Die Preise würden nicht von den Hallen gemacht, sondern von den Agenturen. Selber würden die großen Veranstaltungsorte keinen Gewinn machen, „das kommt über den Umweg der erhöhten Attraktivität der Stadt“ wieder rein.

Joachim Schurig