Der Bräutigam muß warten

■ Daimler-Benz akzeptiert Verzögerung beim Optionsvertrag zum Potsdamer Platz - gibt sich aber beleidigt bei Fragen nach der Firmenvergangenheit

West-Berlin. „Da wir die Braut lieben, lassen wir ihr Zeit.“ Zu dieser Aussage konnte sich der Sprecher der Daimler-Benz AG, Kleinert, am Schluß einer Pressekonferenz am Sonntag im Palace-Hotel durchringen.

Umeinander geworben hatten der Senat und die Daimler-Benz AG nach Auskunft Kleinerts schon vor dem 9. November. Der Senat habe im Februar unter anderem den Potsdamer Platz als Bauplatz vorgeschlagen und einen Optionsvertrag zugesichert.

Eher wie eine Vernunft denn wie eine Liebesheirat mutet das Verhältnis an: der Bräutigam „braucht“ nach eigenen Angaben „den Standort Berlin“ für die künftig zu erschließenden Märkte im Osten.

Als Gegenleistung bringt er eine Investitionssumme von 750 Millionen Mark und „anfänglich nur wenige“, später jedoch bis zu 3.000 Arbeitsplätze, „von denen aber nicht sicher ist, ob die alle in Berlin sein werden“, mit in die geplante Ehe. Die Hochzeit sollte heute in Form der Unterzeichnung des Optionsvertrages stattfinden. Die zunehmenden Proteste der zu Zaungästen degradierten Öffentlichkeit und des Parlaments ließen den Senat einstweilen das endgültige Jawort verschieben. Ein neuer Termin, so die stellvertretende Senatssprecherin Ingvild Kiele, sei noch nicht festgelegt.

Daimler-Benz „akzeptiert das Primat der Politik“, regt sich aber über die „Polemik“ auf, mit der vor allem die Alternative Liste historische Verantwortlichkeiten anmahnt. „Die Deutschen“, so Kleinert, „haben ihre Vergangenheit aufgearbeitet.“

Der Vorwurf, Daimler-Benz als bereits im Dritten Reich verantwortlicher Rüstungskonzern wolle nun geschichtsblind auf dem „Platz der Täter“ bauen, sei denunziatorisch. Der Anteil der „Verteidigungstechnik“ am heutigen Konzern betrage lediglich acht bis neun Prozent. Trotz der Dialogbereitschaft verläßt sich Daimler-Benz auf das „gegebene Wort“ des Senats. In einer Veranstaltung der Perspektive Berlin am Sonntag in den Berliner Bildhauerwerkstätten hatten sich Bausenator Nagel und sein Ostberliner Parteikollege Thurmann für die Unterzeichnung des Optionsvertrages ausgesprochen. Ex-Kultursenator Volker Hassemer (CDU) kritisierte unter Beifall des Publikums „das rotzfreche Kundtun von Ergebnissen“, ohne daß sich der Senat einem Herausforderungs- und Diskussionsprozeß gestellt habe.

Ob die Christdemokraten im Parlament der Option ihre Zustimmung verweigern werde, wollte er jedoch nicht beantworten. Hilde Schramm bekräftigte die Haltung der AL -Fraktion, der Option nicht zuzustimmen. Das zahlreich erschienene Publikum forderte einen öffentlichen Diskussionsprozeß, der wieder zu einer Planungskultur führen müsse, die den Hauptstadtgedanken am negativen Beispiel anderer „kollabierender“ Hauptstädte messe.

Sigrid Bellack