Eine Frau kennt nichts als Liebesakte

■ betr.: "Blut und Rosen", taz vom 27.4.90

betr.: Blut und Rosen“,

taz vom 27.4.90

(...) Eine Frau ist für die Liebe da. Dies sagt nicht nur der Mann, nein, die Frau selbst kennt nichts als „Liebe“. Die Heirat ist ihr größter Wunsch, und wenn sie es so nicht erreicht, dann nimmt sie das Brotmesser zur Hand und gestaltet eine „Bluthochzeit“. So kann sie zumindest symbolisch ihre uneingestandenen sexuellen Wünsche ausleben. Ute Scheub hat nur noch vergessen zu überprüfen, ob der „Liebesakt“ von Adelheid Streidel denn auch zum Orgasmus führte.

Hier wird ein Bild von einer Frau gezeichnet, das vor klassischen geschlechtsspezifischen Zuschreibungen nur so strotzt. Was haben rote Lippen, Blumen und weiße Kleider mit der „Tat“ zu tun? Bei einer Frau läßt sich schon am äußeren Erscheinungsbild die innere Psyche und Motivation für ihr Handeln erkennen. (...)

Es ist schon beeindruckend, wie unproblematisch hier die offiziell vorgegebene Definition von der verrückten Frau übernommen wird, und mehr noch, wie sie klischeehaft ausgeschmückt, zwanghaft verständlich gemacht wird. Denn verstehen wollen wir doch alle.

(...) Meines Erachtens ist der Kommentar von Ute Scheub in zweifacher Weise aufschlußreich: Die Vorstellung, etwas nicht verstehen zu können, ist unerträglich. Andersartigkeit, Fremdheit, Unverständlichkeit ist die Gefahr an sich, das Weltbild ist ver-rückt - Adelheid Streidel ist verückt. Und dieses Weltbild lebt von der Vorstellung von Weiblichkeit und Männlichkeit. Wäre Adelheid Streidel ein Mann, oder Oskar Lafontaine eine Frau, die Erklärung würde in sich zusammenfallen.

Doch so ist die „Welt“ wieder in Ordnung - ein guter Beitrag zur Aufrechterhaltung der klischeehaften Vorstellungen von den Geschlechtern!

Ulla Stammermann, Hamburg

Sehr wahrscheinlich werden viele Männer und Frauen ihrem tiefen Bestürzen über diese Bluttat Ausdruck verliehen und ein jeder, welcher um die eingezwängte Seele solcher TäterInnen weiß, wird ob des Kommentars mit dem Kopf genickt und oh ja, oh ja gesagt haben.

(...) Ich meine, die ganze Erregung rührt im wesentlich nur daher, daß eine Frau mit einem Mann das getan hat, was viele Männer Frauen tagtäglich antun, nur daß dies keinerlei Aufmerksamkeit findet, quasi naturgegeben sein soll. (...) Wenn im Fernsehen ein Mann eine Frau zunächst umgarnt und dann unvermittelt zusammenschlägt, wie's sehr häufig in Filmen vorkommt, (...) gibt's keine erregten Anrufe und keinen Kommentar in der taz. (...)

Detlef Krenz, Berlin