Bremer Hilfe will neue Wege für Verbrechensopfer

■ Idee vorhanden, Finanzierung fehlt / Fachtagung des Justizsenators

Opfer einer Straftat zu sein, das kann bedeuten: Ein alter Mann verliert beim Raub nicht nur seine Brieftasche, sondern von nun an traut er sich alleine nicht mehr auf die Straße. Nach einem Einbruch wird das eigene Zimmer zur Falle. Oder auch: Eine Frau verliert bei einer Vergewaltigung nicht nur ihr sexuelles Selbtbestimmungsrecht, sondern für Jahre auch die Achtung vor den Männern. Ob und wie auch immer die Opfer ihre Taterlebnisse verarbeiten, das deutsche Strafrecht hilft ihnen dabei nicht. Wie können die unterschiedlichen Bedürfnisse der Opfer von Straftaten am besten berücksichtigt werden und wie lassen sich die Hilfen, die ihnen in Bremen bereits angeboten werden, stärker in den Justizapparat einbinden? Mit diesen Fragen beschäftigten sich Juristen und Mitarbeiter von Opferhilfen aus der Bundesrepublik und den Niederlanden auf einer Tagung, zu der am vergangenen Montag der Justizsenator eingeladen hatte. Vorrangig ging es dabei um

den sogenannten Täter-Opfer Ausgleich, der dem Opfer ermöglichen soll, die Tat materiell und psychisch besser zu verkraften, möglichst im Gespräch mit dem Täter. Je nach Delikt geht es dabei hauptsächlich darum, den Schaden oder zumindest einen Teil davon ersetzt zu bekommen oder darum, die verwundete Seele zu beruhigen. Die Reaktionen des Justizapparates seien den Gefühlen der Opfer nicht angemessen, warf Gerda Lehmensiek, Vorsitzende der Bremer Hilfe den Vertretern der Staatsanwaltschaft und den Gerichten vor.

Die Bremer Hilfe will den Strafapparat möglichst ganz außen vor lassen, wenn es zum Täter-Opfer-Ausgleich kommt. „Wir geben den Beteiligten ihren Konflikt zurück“, sagt Danielle Höllings-Hermans, Juristin des Vereins, der sich neben der Jugendgerichtshilfe und dem Weißen Ring um die Opfer im Stadtstaat kümmert. Sie hat für den Täter-Opfer-Ausgleich ein Konzept entwickelt, das einerseits die Bestrafung des Täters vermeiden soll, andererseits aber die Interessen der Opfer an erster Stelle berücksichtigt. Wie die aussehen, zeigen Untersuchungen aus den Niederlanden: Je weniger Gewalt der Täter angewendet hat, umso mehr geht es dem Opfer darum,

daß der Schaden wiedergutge macht wird. Je stärker auch die Psyche durch die Tat angekratzt wurde, desto ausgeprägter ist der Wunsch entwickelt, der Täter möge bestraft werden. Ein Bedürfnis, mit ihm zu sprechen, ist nach der Tat nicht da, kann sich aber im Lauf der Zeit verändern. Oberstes Gebot aus dieser Erfahrung: Allein das Opfer entscheidet, ob und wann es sich mit dem Täter trifft.

Andere inhaltliche Veränderungen: Auch erwachsene Straftäter haben die Möglichkeit, gemeinsam mit dem Opfer die Tat zu bewältigen und eine Deliktsgrenze gibt es auch nicht mehr. Wenn das Opfer es verkraftet, kann es auch schwerere Gewalttaten auf diese Weise aufarbeiten. Die drei Mitarbeiterinnen der Bremer Hilfe wollen außerdem den Kontakt zur Polizei ausbauen. Die soll ihnen Tips geben, ob Fälle für den Täter-Opfer-Ausgleich in Frage kommen oder die Menschen von sich aus auf die Opferhilfe aufmerksam machen. Vernünftige Gedanken, befanden alle Teilnehmer der Tagung. Die ideelle Unterstützung des Senats haben die Frauen schon lange, doch bislang fehlt es an Geldern: Aus Landesmitteln fließt bislang nicht eine müde Mark.

Gunda Wöbken-Ekert