Tino Schwierzina: Keine Experimente!

■ Nach den Sondierungsgesprächen der Parteien zeichnet sich trotz inhaltlicher Übereinstimmung von SPD und Bündnis 90 eine rot-schwarze Koalition ab

Ost-Berlin. Eine rot-schwarze Koalition wird in Ost-Berlin immer wahrscheinlicher: Der künftige Oberbürgermeister, Tino Schwierzina (SPD), hat gestern nach ersten Gesprächen mit dem Bündnis 90/ Grüne Liste und der CDU die Bildung eines Minderheitsmagistrats ohne die Konservativen als nicht machbar bezeichnet. Gleichzeitig erneuerten VertreterInnen der Grünen und der im Bündnis 90 zusammengeschlossenen Gruppen ihre Absage an die alte Blockpartei, mit ihnen und den Sozialdemokraten gemeinsam einen Magistrat zu bilden.

Die Sondierungsgespräche mit Bündnis und CDU seien insgesamt „positiv verlaufen“, erklärte Schwierzina. Die CDU habe sich überraschend dazu bereiterklärt, die Festschreibung eines kommunalen Wahlrechts für Ausländer in einer neuen Verfassung für Ost-Berlin festzuschreiben. Auch die Einführung einer Mietpreisbindung und die Bildung städtischer Eigenbetriebe sei unstrittig. Keine Einigung gab es dagegen hinsichtlich der Privatisierung von Grund, Boden und Wohnungen. Die SPD tritt für eine Umwandlung der kommunalen Wohnungsverwaltungen in gemeinnützige Gesellschaften ein. Mieterhöhungen sollen an Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung gekoppelt sein.

Die zusätzlichen Forderungen des Bündnisses bezeichnete Schwierzina allesamt als verhandelbar. Auch die Festschreibung basisdemokratischer Elemente in die Verfassung, die das Bündnis gefordert hatte, sei für ihn „kein großes Problem“. Schwierzina, der vor der Wahl im Falle einer entsprechenden Mehrheit für eine rot-grüne Stadtregierung plädiert hatte, appellierte gestern noch einmal an das Bündnis, seine ablehnende Haltung noch einmal zu überdenken. Er hoffe, daß da noch nicht das letzte Wort gesprochen sei. „Die Basisgruppen dürfen nicht schon wieder außen vor bleiben!“ sagte er. Im Hinblick auf die „großen Probleme, die auf die Stadt zukommen“, könne man sich aber „keine zufällige Tolerierung leisten“. Wie die taz erfuhr, will die SPD auf jeden Fall vermeiden, in einer Abstimmung auf Stimmen der PDS angewiesen zu sein.

Hans-Joachim Fischbeck, Sprecher von Demokratie Jetzt, betonte, daß man in Berlin nun einen neuen Anfang „ohne die alten Kräfte und Kollaborateure machen kann“. Die Sozialdemokraten stünden dem Bündnis nahe, die „alte Blockpartei CDU hat ihre Vergangenheit aber noch nicht aufgearbeitet“. Außerdem sei die CDU hauptverantwortlich dafür, daß die Errungenschaften der demokratischen Revolution verlorengegangen seien. Bärbel Bohley vom Neuen Forum brachte die ablehnende Haltung zur CDU auf den knappen Nenner: „Wir wollen nicht taktieren!“ Uwe Lehmann, Vertreter der Grünen, prophezeite, daß es auch in der inhaltlichen Zusammenarbeit mit der CDU „mehr als Komplikationen geben wird“.

Die Gespräche der SPD mit anderen Parteien - DSU, PDS und ALL ausgenommen - werden heute fortgesetzt. Dann wollen die Sozialdemokraten mit den Liberalen und der Bauernpartei verhandeln. Am Donnerstag gibt es eine zweite Runde mit Bündnis 90 und der CDU. Die Bildung des Magistrats soll bis zum 27. Mai abgeschlossen sein. Auf einem Parteitag will die SPD Ende Mai noch einmal über die anstehende Regierungsbildung diskutieren.

Claus-Christian Malzahn