Folklore statt Blockflöte

Bleibt das Bündnis 90 auch in Berlin „draußen“?  ■ K O M M E N T A R

Von der Blockflöte CDU hat man in den letzten Tagen gleich drei verschiedene Lieder gehört. Erst schmetterten die Konservativen am Freitag mit ihren West-Kollegen das „Lied der Deutschen“. Am Sonntag sangen sie einen Trauermarsch, um gestern plötzlich in die sozialdemokratische Hymne „Wann wir schreiten Seit an Seit“ miteinzustimmen. Die Ostberliner CDU hat offenbar alle Tonarten drauf - sie hat ja auch 40 Jahre lang auf der kommunalen Bühne geübt. Und es scheint so, daß sie auch in Zukunft noch mitträllern wird, obwohl das Publikum kein Blockflötenkonzert bestellt hat. Pfiffe sind da die logische Folge.

Der flehentliche Appell des Dirigenten Schwierzina an das Bündnis 90, in die Big Band einzusteigen und die Pauke zu bedienen, verhallt ungehört im Parkett. Die Bürgerrechtler haben immer Folklore gemacht und ziehen bei der geplanten Besetzung des Orchesters die Straßenmusik vor. Die SPD wird sie ziehenlassen - wenn auch mit einer Träne im Knopfloch. Von da an aber fangen die falschen Töne an.

Ganz unmusikalisch formuliert: Wenn das Bündnis 90 trotz des klaren Wählervotums gegen rechts draußen bleiben sollte, ist die letzte Chance vertan, Erfahrungen aus der Revolution zu großer Politik zu machen - beispielsweise Volksabstimmung und institutionalisierte Runde Tische in der Verfassung von Ost-Berlin festzuschreiben. Denn so etwas ist in der Stadt, in der alles begann, nur mit den Leuten machbar, die damals angefangen haben: die BürgerrechtlerInnen.

Schwierzina wird nach Stand der Dinge kaum Schwierigkeiten haben, mit dieser CDU ein fast lupenreines sozialdemokratisches Regierungsprogramm zu formulieren. Ziel der alten Blockpartei ist es offenbar, in den Magistrat zu kommen - um jeden Preis. Die SPD hat Angst davor, auf Stimmen aus den Reihen der PDS angewiesen zu sein. Doch in Anbetracht des unverhohlenen Opportunismus der CDU, mit der die SPD ohne Kopfschmerzen zusammengehen würde, ist der moralische Standpunkt der SPD hier schlicht unglaubwürdig. Die Berliner Sozialdemokraten sollten sich da schleunigst an ihre Argumente gegen die große Koalition auf Landesebene erinnern, die sie noch vor kurzem laut und deutlich von sich gegeben haben. Die moralische Dimension ihrer bisher betriebenen Politik würde ihnen sonst flötengehen. Schließlich und endlich: Was ist an einem Minderheitsmagistrat, der spätestens in zwei Jahren durch eine Gesamtberliner Regierung abgelöst würde, so schlimm? Ein Vertreter des Bündnisses 90 formulierte es gestern so: „Wenn wir immer nur auf Machbarkeit geachtet hätten, wäre die Revolution nie passiert.“

CC Malzahn