„Kral“ in Menilmontant

■ Afrikaner halten seit einer Woche Pariser Platz besetzt

Paris (taz) - Nicht weit vom Friedhof Pere Lachaise, wo die Füsilierten von 1871 verscharrt sind, ist wieder Pariser Commune: Knapp dreißig, meist schwarzafrikanische Familien halten seit einer Woche die Place de la Reunion besetzt, nachdem sie am 2. Mai ohne Vorwarnung aus ihrem seit fünf Jahren okkupierten Haus geworfen wurden.

Mittlerweile hat der kreisrunde Platz im alten Proletenviertel Menilmontant die Gestalt eines afrikanischen Dorfes angenommen: Rings um die Fontäne stehen Zelte, lagern Familien auf Matratzen, werden Babies gewickelt und den Frauen kuriose Zöpfe geflochten. AnwohnerInnen bringen Hühnchen, Reis, Getränke, das „Komitee der Schlechtbehausten“ hat eine Kollektivküche aufgestellt und führt Vertreter der senegalesischen Botschaft durch das Getümmel.

Obwohl es gestern nacht zum erstenmal gewittert hat, ist die Stimmung nicht so schlecht, wie man es nach einer Woche unter freiem Großstadthimmel erwarten könnte: „Die Verhandlungen mit dem Präfekten sind vielversprechend“, wird beim allabendlichen Palaver berichtet.

Nachdem über vierzig Organisationen sich mit den Besetzern solidarisch erklärt haben, seien die Behörden inzwischen bereit, die Familien in Sozialwohnungen des Stadtteils unterzubringen. Der sicherste Indikator für einen glücklichen Ausgang der Commune von Menilmontant ist, daß auch das soziale Gewissen der Nation, der Abbe Pierre, sich „tief schockiert“ über die Räumung gezeigt hat und von seiner Clochard-Bruderschaft „Emmaüs“ Zelte und Matratzen zum „Kral von Paris“ hat anschleppen lassen.

smo