Brüsseler Milliarden für die DDR

■ Handels- und Kooperationsabkommen zwischen EG und DDR unterzeichnet / Umweltschutz, industrielle Modernisierung und Tourismus sollen gefördert werden / „Wirtschaftsraum erhalten“

Brüssel (taz) - Die EG-Kommission hat am Dienstag das Füllhorn über der DDR ausgeschüttet: Anläßlich der Unterzeichnung des Handels- und Kooperationsabkommens von EG und DDR gab die EG-Behörde bekannt, daß sie dem Beschluß der Bundesregierung zugestimmt hat, Mittel aus dem Europäischen Programm für Wiederaufbau zur Modernisierung der DDR -Wirtschaft einzusetzen. Das Sondervermögen aus dem Marshall -Plan war ursprünglich zum Wiederaufbau des vom Krieg verwüsteten Europas bestimmt. In letzter Zeit wurde es hauptsächlich zur Förderung von Investitionen in West -Berlin, für den Umweltschutz und zur Förderung kleinerer und mittlerer Unternehmen eingesetzt.

Für den Vierjahreszeitraum 1990-93 werden 6 Milliarden DM bereitgestellt, davon 1,2 Milliarden DM in diesem Jahr. Die Darlehen haben eine Laufzeit von 15 Jahren bei einer tilgungsfreien Zeit von 5 Jahren und einem Zinssatz von 2 Prozentpunkten unter dem Marktzins. Unterstützt werden sollen damit vor allem Betriebsneugründungen, Umweltschutzmaßnahmen, Modernisierung von Industrieanlagen und Aufbau einer Tourismusindustrie.

Das gestern von DDR-Wirtschaftsminister Gerhard Pohl und EG -Außenkommissar Frans Andrießen unterzeichnete Handels- und Kooperationsabkommen soll verhindern, daß die DDR während der Übergangszeit bis zur Vereinigung mit der Bundesrepublik und der Integration in die EG gegenüber den anderen Mittelosteuropäischen Staaten benachteiligt wird. Ähnliche Abkommen gibt es mit Polen, Ungarn, der CSFR und Bulgarien.

Pohl möchte mit dem Abkommen außerdem den „Wirtschaftraum der DDR erhalten“. Als Anreiz für die EG bot der Wirtschaftsminister an, „die Erfahrungen der DDR im Osthandel einzubringen“. Er versprach, das Rechtssystem der DDR so schnell wie möglich an das der EG anzupassen und die soziale Marktwirtschaft einzuführen. Weil Textilien nicht von dem Abkommen betroffen sind, soll auf Drängen der DDR -Textilindustrie noch ein separates Abkommen ausgehandelt werden, um die von Westimporten bedrohte DDR-Industrie zumindest für eine Übergangszeit zu schützen.

Michael Bullard