GUT VERKLEBT

 ■  „In Every Beat Of My Heart“

Minikurzfilmfestival im Eiszeit, FSK und Arsenal

Bei der Pressevorführung korrespondierten die dargebotenen Leckerbissen auf dem kalten Buffet zärtlich mit den vorgeführten Filmen: In den hellrosa Wurstbelag war das Symbol der Liebe in einem dunkleren Farbton eingelassen. Dagie Brundert, Khani Kahnert und Torsten Alisch hatten sich zum Empfang im Foyer des Eiszeit-Kinos von einem Artikel in der 'Bäckerblume‘ anregen lassen: „Wichtig ist in jedem Fall, daß der Belag gut auf der Unterlage haftet. Zu schnell passiert dem Gast sonst das bekannte Mißgeschick: er hält das Häppchen schief, wenn er hineinbeißt, und schon rutscht der Rest des Belags aufs Kleid oder auf den Fußboden. Also den Belag gut auf dem Brotunterlag ankleben: mit Mayonnaise, Butter oder Schmelzkäse!“ Und so lehren es ihre Filme: Entscheidend für den Erfolg ist, daß das gewählte Sujet auf der S-8-Unterlage haftet.

In 23 Barbiepuppen kippen um passiert genau das, was der Titel ankündigt. Trotzdem ist man am Ende des dreiminütigen Films von dem Ergebnis sonderlich berührt. Zuerst nämlich wirken die Blondinen so unnahbar, wie eben makellose Schönheit zu sein pflegt. Gelangweilt distanziert lehnen sie in ihren gelben, blauen und rosa Badeanzügen an der Fußleiste, die ihnen bis zum Busen reicht. Dann aber fallen sie um. Mit einem dumpfen, schmerzhaften Aufprall. Eine nach der anderen. Nur das Schicksal weiß warum. Und wie man die Barbies mit ihren derangierten Frisuren und ihren langen, langen Beinen so hilflos am Boden liegen sieht, beginnt sich im Herzen Mitleid zu regen. So gefühlvoll eingestimmt verfolgt man mit gewecktem Interesse und Anteilnahme die weiteren Episoden aus dem Leben der Plastilinmenschen. Von einarmigen Banditen (geschlechtslos), O-beinig-männlichen Cowboys/Indianern und einem altklugen Fußgänger, dem eine wichtige Lehre für den Umgang mit Verkehrsschildern erteilt wird.

Die Fischfilm-Trilogie wird all jenen Zuschauern gefallen, die Filme mit klaren Aussagen mögen. Zum Beispiel beweisen Dagie Brundert und Khani Kahnert die Volksweisheit „Männer riechen nach Fisch“ im gleichnamigen Film mit einem empirischen Testverfahren als wahr. Weniger sachlich, eher pathetisch erzählen sie die Geschichte vom Fisch ohne Wiederkehr. Entfesselte Naturkräfte bilden den Hintergrund in diesem melodramatischsten Beitrag des Programms.

An die Zeit, als die Transitreisen von Berlin nach Westdeutschland noch durch ein exotisch-fremdes Land führten, erinnert der erste Teil von Osten-Westen, Reisen durch Deutschland. Zu sehen sind Impressionen von der Ernte und fleißigen Mähdreschern, die einen schon jetzt im Frühling wissen lassen, daß man den Sommer vor dem letzten Herbst mit anderen Augen aus dem Autofenster sah. Mit der Liebe beschäftigen sich vier Filme, von denen einer etwas zu lang geraten ist. Aber weil es in Motion Picture Romance (11 Minuten) um die Erinnerung einer echten Liebe des Filmemachers geht, ist die Länge vielleicht doch richtig. Schließlich kann man selbst den besten Freunden nur durch die häufige, leicht variierte Wiederholung die zentrale Bedeutung eines Nachmittags auf einer windigen Aussichtsplattform verständlich machen. Für That's the story of my life erhielt Torsten Alisch schon viele Preise, unter anderem ein gelbes Handtuch von Camel und ein Eau de toilette namens „Caractere“. In diesem Film geht es immer nur um das eine, zweieinhalb Minuten lang, aufrecht pornographisch.

Die Entstehungsgeschichte von Fake Emotion - Falsche Farben beginnt mit einem Glücksgriff auf dem Flohmarkt. In einer Dose ohne nähere Kennzeichnung (sonst meistens ein Hinweis auf innenliegende Pornos) befand sich ein Krimi aus den sechziger Jahren. Nach Aussage des Filmemachers war die Handlung der gekürzten Fassung auch nach häufiger Sichtung kaum zu verstehen. Glaubt man den Anekdoten der Filmgeschichte, so verdanken die besten Regieeinfälle ihre Existenz eben solchen Schwierigkeiten. In diesem Fall entschloß sich Torsten Alisch, wegen der inhaltlichen Unklarheiten auf die Rekonstruktion der Erzählung ganz zu verzichten. Statt dessen vervielfältigte, verzerrte, verfärbte er die dramaturgischen Rudimente und montierte daraus einen sehr schönen Essay über die Archetypik von Liebesszenen im Kriminalfilm.

Dorothee Wenner