Privatfunkgesetz auf Eis gelegt

■ Berliner Senat will Übergangsregelung für private Sender ins Parlament einbringen

Alle Aufregung um das in Berlin geplantes Privatfunkgesetz scheinen umsonst gewesen zu sein, denn die für Medienfragen zuständige Senatorin für kulturelle Angelegenheiten Anke Martiny hat jetzt dem umstrittenenen Entwurf die rote Karte gezeigt. In einer Senatssitzung wurde gegen die Stimmen der AL-Senatorinnen ein bis 30. April 1991 befristetes Überleitungsgesetz beschlossen, das demnächst ins Parlament eingebracht werden soll. Die Übergangsregelung soll an Stelle des im August auslaufenden Kabelpilotprojektgesetzes treten. Zwar werden einige Punkte des noch geltenden Gesetzes abgeschwächt, so müssen die Privaten jetzt selbst für Meinungspluralität sorgen und Entscheidungen des fünfköpfigen Gremiums bei möglicher Frequenzvergabe müssen in Zukunft mehrheitlich, d.h. 4:1 gefällt werden, faktisch aber läuft alles auf eine Verlängerung des CDU/FDP Gesetzes hinaus. Das Überleitungsgesetz war nötig geworden, da der Zeitplan für das Privatfunkgesetz bis zur Sommerpause nicht eingehalten werden konnte.

Von Anfang an stand das abgeschmetterte Gesetz unter einem schlechten Stern, mangelnde Kooperation und Koordination der Gremien, die die Gesetzesvorlage formulierten, sowie ein Kompetenzwirrwarr sorgten für Ärger und Mißmut. Hinzu kam, daß der Kultursenat dem bei den Koalitionsverhandlungen ausgehandelten Medienpapier, das eine zukünftige Berliner Rundfunkordnung skizziert von anfang an mehr als skeptisch gegenüber stand. Als dann am 22. März die Gesetzesvorlage von der SPD und der AL-Fraktion zur ersten Lesung ins Parlament eingebracht wurde, schlugen die Wellen hoch. Die CDU machte schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der Vorlage geltend und warnte davor, angesichts des deutschen Vereinigungsprozesses ein Gesetz durchzupeitschen, das in wenigen Monaten überholt sei. Vor allem von den Berliner Privatfunkern, aber auch vom Deutschen Journalistenverband, dessen Vorsitzender Hermann Meyn ist, er sitzt aber ebenfalls im Kabelrat, demjenigen Gremium, das durch das neue Gesetz abgeschafft werden soll, wurde eine teils polemische Auseinandersetzung angezettelt. Mit welchen Mitteln hier gefightet wurde, wird aus folgendem Kommentar ersichtlich, der am 22. März über einen privaten Sender ging: „Heute geht es um die Existenz des privat -rechtlich organisierten Rundfunks, morgen macht diese Medienpoltik aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk volkseigene Lokalsender, und übermorgen wird der Bestand unabhängiger Tageszeitungen geregelt.“

Schützenhilfe bekamen die Kritiker durch ein 70seitiges Papier aus der Kulturverwaltung, das der Öffentlichkeit zugespielt wurde. Die Senatsstellungnahme beanstandete nicht weniger als 46 der 50 formulierten Einzelpunkte. Zwar versicherte die Senatorin, daß der Entwurf insgesamt verfassungskonform sei - ausgenommen „zwei, drei Punkte“ und daß man ihn nicht beerdigen wolle, es bestünde aber die Notwenigkeit das Gesetz noch einmal zu überarbeiten.

Für die Leute von der AL kam der Rückzug überraschend, nachvollziebar ist er aber allemal. Muß der Regierende Bürgermeister Walter Momper doch seine Politik gegenüber einer Öffentlichkeit durchsetzen, die zu 80 Prozent durch Springer-Blätter bedient wird. Genau gegen dieses Verlagshaus aber ist eine Antikonzentrationsklausel gerichtet, die vorsieht, daß Verleger, deren Tageszeitungen einen Marktanteil von „mindestens 25 Prozent erreichen“ in Zukunft als Rundfunkveranstalter nicht mehr zugelassen werden. Springer hält aber mehr als 20 Prozent des Privatsenders Sat1. Zwar will dieser Sender seine Programmdirektion jetzt nach Berlin verlegen - er kam damit einem drohenden Lizensentzug zuvor - wenn in einem Jahr aber erneut über diese terristische Frequenz beraten würde, gingen der Sender leer aus. Welche politische Prisanz diese „Lex Springer“ hat, machte die Senatorin vor Journalisten deutlich, „hier zeigt sich ob der Senat sich medienwirtschaftlich freundlich gebärdet oder nicht“. Angesichts der Konkurrenz, in der alle Medienstandorte der Bundesrepublik zueinander stehen, vor allem wenn es um potentielle Anbieter geht, ist absehbar was aus diesem Paragraphen wird. Sperrfeuer wird denn auch aus der Senatsverwaltung und dem Wirtschaftressort erwartet.

Daß das eingebrachte Mediengesetz erheblich modifiziert werden muß, ist heute selbst der AL klar. Aber, so die medienpolitische Sprecherin der Alternativen Liste, Alice Ströver, „wenn man vorher gesagt hätte, daß das alles politisch nicht durchsetzbar ist, wären wir nicht ins offene Messer gelaufen“.

Ein erstes Hearing am Montag dieser Woche, das der Weiterentwicklung des Gesetzes dienen sollte, hat denn auch mehr Verwirrung als Klarheit geschaffen. Während Ernst Benda, ehemals Präsident des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe und Vorsitzender des Kabelrates, erwartungsgemaß das Gesetz als verfassungswidrig einstufte, gingen Prof. Otfried Jarren aus Hamburg die Ausführungen über den nichtkommerziellen Rundfunk, das einzige genuin grüne Element in der Gesetzesvorlage, nicht weit genug. Egal was das zweite Hearing am 21. Mai bringt, abzuwarten bleibt ohnehin das Ergebnis eines Unterausschusses des Regionalausschusses, in dem Medienvertreter aus der DDR und aus West-Berlin sitzen. Denn auch die Senatorin ist mittlerweile der Meinung, daß die aktuelle, regionale Medienentwicklung bei der Gesetzgebung berücksichtigt werden solle. Bis dieser Unterausschuß „Medien“, in dem von westlicher Seite u.a. SFB-Intendant Lojewski, RIAS-Intendant Drück und der Direktor der Berliner Kabelanstalt Hege sitzen, aber entscheidungsrelevante Aussagen auf den Tisch legt, wird noch viel Wasser die Spree hinunterfließen.

Karl-Heinz Stamm