Geistiger Aussetzer

■ betr.: "Blut und Rosen", taz vom 27.4.90

betr.: „Blut und Rosen“,

taz vom 27.4.90

Eine Frau, die angesichts der von Männern ausgehenden sexuellen Gewalt zu Selbstschutzmaßnahmen greift, tut dies möglicherweise aufgrund einer „Projektion uneingestandener sexueller Wünsche“. - Dieser Schluß drängt sich beim Lesen des Artikels von Ute Scheub auf. In Anbetracht der Tatsache, daß alle drei Minuten eine Frau vergewaltigt wird, kann diese Folgerung aus der Feder einer Frau doch wohl nur ein (karriereorientierter?) geistiger Aussetzer sein.

Desweiteren wird die wie auch immer verworrenere, von der Attentäterin geäußerte politische Motivation (taz Leitartikel vom 27.4.90) von der Journalistin völlig unterschlagen. Statt dessen wird die Tat Adelheid Streidels hauptsächlich als „psychopathisch verkehrter Liebesakt“ hingestellt. In altbekannter Realitätsverzerrung wird damit versucht, das patriarchale Bild der geistig-seelischen Unvollständigkeit von Frauen zu erhalten: Die Frau wird zur hirnlosen Hülle gemacht, der Mann zur Inhaltsgebung, zum Ausgangs- und Endpunkt ihres gesamten Fühlens, Denkens und Handelns. Wir verurteilen das Attentat an Oskar Lafontaine, für das es keine Rechtfertigung geben kann - und wir wenden uns gegen das in der Beschreibung des Tatmotivs transportierte sexistische Frauenbild!

Helga Deuter, Claudia Kind, Germering