Massenentlassungen in Brasilien

■ In der Autoindustrie wird über Lohnkürzungen verhandelt/ Auch Schattenwirtschaft betroffen

Berlin (dpa/ips/taz) - Industriebetriebe in Sao Paulo haben im April mehr als 45.000 Arbeitskräfte entlassen. Das ist eine der Folgen des im März von Präsident Collor de Mello verfügten Anti-Inflationsprogramms. Die Entlassungswelle in der Region Sao Paulo war die umfangreichste seit 1981, als Brasilien eine schwere Rezession durchmachte. Collor de Mello hatte am 16. März unter anderem den größten Teil der Bankguthaben eingefroren, um die monatlichen Inflationsraten von bis zu 80 Prozent zu stoppen. Der Industrieverband in Sao Paulo (FIESP) rechnet mit weiteren Entlassungen in den nächsten Wochen.

Brasiliens Autoindustrie verhandelt derzeit mit rund 144.000 Beschäftigten über Arbeitszeit- und Lohnkürzungen. Mehr als 20.000 fertige Fahrzeuge stehen bei den Autofabrikanten auf Halde. Durch die Beschlagnahme aller Konten über 1.200 Dollar ist die Industrie praktisch zum Erliegen gekommen. Arbeitsminister Antonio Magri will nun mit einem dreimonatigen Entlassungsverbot weiteren Massenentlassungen zuvorkommen.

Auch die - in Brasilien sehr wichtige - Schattenwirtschaft leidet unter dem rigorosen Wirtschaftsprogramm. In nur einem Monat verringerte sich ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 50 auf nur mehr 20 Prozent. Millionen BrasilianerInnen haben damit ihre einzige Einkommensquelle verloren. Der Wirtschaftsexperte Carlos Lessa befürchtet, daß durch diese Entwicklung 15 Millionen Menschen ins Elend getrieben werden.

Bereits vor dem Amtsantritt der neuen Regierung waren Maßnahmen wie die Verteilung von kostenlosen Lebensmittelpaketen an die verarmte Bevölkerung im Gespräch. Unterdessen haben Wirtschaftsexperten vorgeschlagen, Gratisessen auszugeben, ähnlich wie vor kurzem in Argentinien oder in den dreißiger Jahren in den Vereinigten Staaten. Das soll auch den jetzt gekündigten zugutekommen, die auf die kärglichen Zuwendungen aus der Arbeitslosenversicherung angewiesen sind. Außerdem soll die Regierung eine aktive Beschäftigungspolitik betreiben. Unklar ist jedoch, wo das Geld dafür herkommen soll.

si