Wütende Proteste gegen Koreas Konservative

■ Schwere Straßenschlachten mit Brandbomben fordern in Südkorea Verletzte / Erster Parteitag der Liberaldemokratischen Partei wählt Präsident Roh zum Vorsitzenden / Laut Meinungsumfragen muß die konservative Koalition Sympathieverluste hinnehmen

Seoul (dpa/taz) - „Nieder mit Roh Tae Woo“, skandierten gestern Südkoreas Studenten und andere Oppositionelle, die zu landesweiten Protesten gegen die Neugründung der als „diktatorisch und undemokratisch“ bezeichneten Regierungspartei Rohs aufgerufen hatten. In Seoul stürmten nach Berichten der Nachrichtenagentur 'Yonhap‘ etwa 10.000 Studenten mit Steinen und Brandsätzen gegen die Polizei an. Dabei explodierte im Erdgeschoß des US Informations Service eine Brandbombe. Auch in anderen Städten kam es zu Straßenschlachten. An den Demonstrationen in mindestens elf Städten sollen 50.000 Studenten von 80 Hochschulen beteiligt gewesen sein.

Präsident Roh Tae Woo ist am Mittwoch von den Abgeordneten der regierenden „Demokratisch-Liberalen Partei“ (DLP) zum Parteivorsitzenden für zwei Jahre gewählt worden. Die Partei, die über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament verfügt, war im Februar durch Zusammenschluß der konservativen Demokratischen Gerechtigkeitspartei mit zwei bisherigen Oppositionsparteien gebildet worden. Es war der gleiche Tag, an dem sich der Dachverband unabhängiger Gewerkschaften „Chonnohyop“ unter massiven Störmaßnahmen der Polizei formierte.

Für den gestrigen 9.Mai hat dieser illegale Gewerkschaftsverband zum Generalstreik aufgerufen, um gegen die Verschmelzung der konservativen Parteien und die Isolation der außerparlamentarischen Opposition zu demonstrieren. Unterdessen haben sich die Organisatoren allerdings mit der Lehrergewerkschaft und anderen außerparlamentarischen Kräften für die kommenden Wochen auf eine Strategie der Wechselstreiks geeinigt. Im Süden Seouls rief Roh beim Parteitag der Demokratisch-Liberalen Partei zur Beendigung der „Krawalle“ auf. „Ohne nationale Einheit und Harmonie können wir nichts erreichen“, sagte er.

Roh Tae Woo gelang es mit der neugegründeten konservativen Koalition, die „Partei für Frieden und Gerechtigkeit“ unter Kim Dea Jung ins Abseits zu drängen. Diese größte Oppositionspartei verfügt noch über 71 der 291 Parlamentssitze. Gleichzeitig gelang es Roh, eine potentielle Linkskoalition zwischen Kim Dea Jung und Kim Young Sam zu unterbinden. Letzterer, der bis Februar Vorsitzender der zweitgrößten Oppositionspartei „für Wiedervereinigung und Demokratie“ war, wurde auf dem Parteitag zur Nummer zwei der Koalition gewählt. Kim Young Sams Schwenk zu Exgeneral Roh Tae Wo, der wie Expräsident Chun Doo Hwan am Massaker in Kwangju 1980 beteiligt war, sorgte im Februar für eine Überraschung, galt er doch als einer der vehementesten Kritiker des Chun-Doo-Hwan-Regimes 1980-87.

Dritter und mit 35 Sitzen kleinster im Bunde ist die „Demokratisch Republikanische Partei“ unter Vorsitz Kim Jong Pils. Er war Ministerpräsident, als der heutige Oppositionsführer Kim Dae Jung, 1972 größter Konkurrent für den damaligen Präsidenten Park, beinahe ermordet wurde.

Nach jüngsten Meinungsumfragen würden nur zwölf Prozent der Bevölkerung bei einer „Wahl morgen“ für die Regierungspartei stimmen. Die Parteiführung hofft nun mit der „Konsolidierung der freien Marktwirtschaft und eines demokratischen Wohlfahrtsstaates“ das Vertrauen der Wähler zu gewinnen. Dagegen konnte die Oppositionspartei unter Kim Dae Jung Sympathiegewinne verzeichnen.

sl