Menschenopfer für den Uranprofit

Mine mit welthöchstem Urananteil in Kanada entdeckt / Statt Robotern will das halbstaatliche Unternehmen Menschen in das Bergwerk schicken / Wer die Strahlenhöchstdosis erreicht hat, soll „ausgetauscht“ werden  ■  Von Wieland Giebel

Berlin (taz) - Dreißigprozentiges Uranerz soll unter dem Cigar Lake im Norden Kanadas von Menschen im Untertagebau abgebaut werden. Die halbstaatliche kanadische Firma hatte bisher geplant, Roboter einzusetzen. Strahlenschutz ist bei dieser bisher unvorstellbar hohen Belastung nicht möglich. Unranminen mit einem nur annähernd ähnlich hohen Urananteil gibt es nicht.

Die Cigar Lake Mining Corporation beantragte jetzte bei der Regierung, 5.000 Tonnen dreißigprozentiges Uranerz aus 450 Metern Tiefe probeweise fördern zu dürfen. Der Abbau von Uran lohnt sich bereits bei weit unter einem Prozent, wie beispielsweise in der Rössingmine in Namibia, einer der größten Uranminen der Welt. Im Schwarzwald gingen die Menschen erfolgreich auf die Straße, weil der Uranabraum strahlt, der ebenfalls weit unter einem Prozent liegt.

Nicht weit von Cigar Lake entfernt liegt die derzeit größte Uranmine der Welt, die auch den bisher höchsten Urananteil von drei bis fünf Prozent hat. Der deutsche Chef dieser Tagebaumine, Dr. Gerhard Kirchner von der „Uranerz“, kann sich nicht vorstellen, Menschen in den Untertagebau von Cigar Lake zu schicken. Aber die enormen Profiterwartungen bei dem Superuran lassen offensichtlich jeden Skrupel schwinden.

Futuristische Szenarien wurden zunächst für den Abbau der Vorkommen unter dem Cigar Lake entwickelt. Weiträumig sollten die Seen abgepumpt werden, wie es im Norden Kanadas üblich ist. Methoden chemischer Auslaugung sollten aus der Schublade geholt und verbessert werden, oder, alternativ, weil auch die Japaner mitmischen, denen man das wohl zutraut: ferngesteuerte Roboter sollten unter Tage malochen, während die Uranarbeiter geschützt vor ihren Steuermonitoren sitzen.

Doch in dem Antrag, den die Cigar Lake Mining Corporation jetzt stellte, ist von „Auslaugung“ oder „Robotern“ keine Rede mehr. Menschen sollen in den Berg. Die Firma gehört zu knapp 49 Prozent dem kanadischen Staat und der Provinz Saskatchewan, 36 Prozent hält die französische Cogema, 13 Prozent der japanische Konzern Idemitsu und 2 Prozent Korea, wobei schon Lieferverträge für die koreanischen AKWs abgeschlossen wurden.

Der durchschnittliche Urangehalt der Mine soll bisherigen Probebohrungen zufolge bei 14 Prozent liegen, mit Spitzenwerten bis zu 60 Prozent.

Daß der modifizierte Antrag öffentlich wurde, ist das Verdienst einer unermüdlichen älteren Dame aus Regina, Maisie Shiell. Seit Jahren geht sie in der Verwaltung vergrabenen, aber öffentlich einsehbaren Details des Uranabbaus nach und macht mit ihren Klagen der Industrie das Leben schwer.

In einer Umweltstudie, die in den Bibliotheken von Saskatoon und Regina ausliegt, wird beschrieben, wie die Arbeiter auf Fahrzeugen unter Tage arbeiten sollen. Durch Messungen sollen die Radongase unter Kontrolle gehalten werden. Bleibt das Uranerz unter der Erde und ungebrochen, wird auch krebserregendes Radongas freigesetzt, das aber fast vollständig zerfällt, bis es an die Oberfläche dringt. Unter Tage gebrochen oder über Tage auf Halde gelagert, wird Radon unter Umständen mehrere hundert Kilometer weit verweht. Effektiven Schutz gegen das Krebsgas, das mit 3.600 Atomen pro Gramm freigesetzt wird, gibt es nicht.

Radongas ist aber nur die eine Gefahr. Ein Schutz gegen die ungeheure Radiumstrahlung soll auch nicht mit den sonst üblichen Bleiwänden an Förderfahrzeugen versucht werden, sondern lediglich durch 1,4 Zentimeter starke bleilose Stahlwände. Bei einem Gespräch mit dem Strahlungsberater der „Behörde für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz“, Dennis Brown, wurde klar, daß die Arbeiter als Versuchskaninchen eingesetzt würden. Wenn ein Arbeiter, möglicherweise nach wenigen Tagen, seine zulässige Jahresdosis abbekommen habe, werde er ausgetauscht.

Die kanadischen Gesetze schreiben eine Mitbeteiligung der Arbeiter bei Gesundheitsfragen vor. Aber wie - fragen die kanadischen Umweltschützer - kann ein Gesundheitsausschuß effektiv arbeiten, wenn die Arbeiter von Subunternehmen geschickt werden, wenn sie sich einander nicht kennen, wenn sie gewerkschaftlich nicht organisiert sind und jeweils nur für sieben Tage aus unterschiedlichsten Gegenden eingeflogen werden. Im Januar 1991 sollen die ersten Arbeiter einfahren, unter ihnen voraussichtlich viele Indianer.