Saarland als David gegen Stromgoliaths

■ Das saarländische Wirtschaftsministerium will, daß seine fortschrittliche Energiepolitik „auch in der DDR Früchte trägt“

Saarbrücken (taz) - Frithjof Spreer, Leiter der Energieabteilung im saarländischen Wirtschaftsministerium, kommt derzeit kaum zur Ruhe. Die DDR sucht immer häufiger den Rat des Saarlands in Fragen der Energiepolitik. Die Saarländer kommen dem Drängen nach - nicht ohne Stolz, wie es scheint. Spreer zur taz: „Wir haben ja eine gewisse energiepolitische Grundhaltung, die sich gründlich unterscheidet von der anderer Bundesländer. Wir wollen natürlich aus reinem Sendungsbewußtsein, daß unsere Energiepolitik auch in der DDR Früchte trägt.“

So berät das Saarland zum einen Städte wie Leipzig, Chemnitz und Dresden. Die Regierung Lafontaine fördert aber insbesondere neue kommunale Energiekonzepte in den acht Partnerstädten des Saarlands: Cottbus, Eisenhüttenstadt, Hoyerswerda, Lübben, Finsterwalde, Radebeul, Ilmenau und Senftenberg. Spreer: „Wir behandeln diese Städte wie saarländische Kommunen.“ Finanziert werden die DDR -Energiekonzepte - Kostendurchschnitt bei etwa 50.000 Mark aus einem Sammeltopf des Landes „unter Mithilfe der saarländischen Energiewirtschaft“.

Im Saarbrücker Wirtschaftsministerium sieht man indessen „mit Entsetzen, wie die Kapitalhaie unter den bundesdeutschen Energieversorgungsunternehmen mit der DDR umgehen und was sie dort zerschlagen“. Nun wollen die Saarländer „in der DDR verhindern, was uns in der BRD stinkt“. Sie setzen auf Kommunalisierung der Energieversorgung und auf Energieeinsparung.

Spreer findet, daß die DDR dafür „hervorragende Strukturen mitbringt“. Dazu zählt er die regionalen Energiekombinate der 15 Bezirke, die alle Energiearten liefern: Strom, Gas, Fernwärme, aber auch Öl und feste Brennstoffe. Gerade dieser Querverbund ermögliche es, „die verschiedenen Sparten nach ökologischen und siedlungsstrukturellen Aspekten zu optimieren“. Der Energieexperte weiter: „Bei uns dagegen gibt es solche Querverbünde kaum. Es tritt der mißliche Zustand ein, daß wir regionale Spartenunternehmen haben, die auf Deubel komm raus ihre jeweilige Energie verkaufen wollen. Also gehen Stromversorger mit Elektroheizungen auf den Markt, Gasversorger in Fernwärmegebieten auch mit Gas weil das die Filetstückchen sind. Die Kraft-Wärme-Kopplung dagegen - das ökologisch vernünftigste System - gerät unter Druck.“

Die derzeitige Energie-Koordination der DDR -Bezirkskombinate sei durchaus sinnvoll: Der Anteil der Fernwärme in Ballungsgebieten etwa übertreffe den Anteil in der Bundesrepublik „fünf- bis siebenmal“. Landesweit liege schon heute der Fernwärme-Marktanteil in der DDR bei 30 Prozent, in der Bundesrepublik bei nur 7 Prozent. Allerdings seien die „Erzeugungsanlagen der DDR miserabel“. Spreer hält ein Neubau- und Modernisierungsprogramm für Heizwerke und Heizkraftwerke für unumgänglich: „Denn der ökologisch riesige Vorteil der DDR wird erst dann drastisch zu Buche schlagen, wenn diese alten Stinker ersetzt werden durch moderne“. Dann erst, so schätzt Spreer, reduziere sich „die energiebedingte Umweltbelastung mit einem Schlag um 75 Prozent“. Westdeutsche Firmen indes streben gerade die Zerschlagung der Querverbünde an, ganz nach dem Motto eines großen bayerischen Gasversorgers: „Legt den Fernwärmeschrott still, wir machen alles mit Gas.“

Während Spreer die Bezirkskombinate für „resistent gegen Auflösungserscheinungen“ hält, sieht er die „Gefahr von oben“ - bei den vier Energiebetrieben mit landesweiter Zuständigkeit: die Kombinate für Atomkraft, für das Stromverbundnetz, für Braunkohle und für Gas. Vor allem das Kombinat für das Stromverbundnetz sei „ein strategischer Hebel“ für westdeutsche Stromriesen wie PREAG, RWE oder Bayernwerk. „Denn wer das Netz hat, bestimmt die Musik“, weiß Spreer. Die Versuche „unserer großen Brüder“, meint ein anderer Experte, „sind noch nicht abgewehrt, weil es in der DDR dafür noch keinerlei Problembewußtsein gibt“. Für das RWE ist allerdings nicht nur das Stromnetz von Interesse. Verlockend ist auch die Inbesitznahme des Kombinats für Braunkohlekraftwerke (KBK), das das Gros der Elektrizität der DDR erzeugt. Kurz nach der Wende schien das Streben des RWE sogar von Erfolg gekrönt zu werden: Kombinatsdirektoren taten so, als gehörte ihnen der Laden, und ließen sich auf Verhandlungen mit dem RWE ein. Verhandlungsmasse: bis zu 70 Prozent der Anteile. Doch derzeit schwimmen dem RWE die Felle davon: das Monsterkombinat KBK droht sich aufzulösen. Denn, so Spreer, die Belegschaften einiger KBK -Großkraftwerke, wie in Boxberg oder Lippendorf, streben Selbständigkeit an. Das RWE wird künftig mit einzelnen Kraftwerken verhandeln müssen. Ähnlich kann es der Ruhrgas AG ergehen, die sich für das Gas-Kombinat interessiert. Dessen Zentrale - die „Schwarze Pumpe“ zwischen Cottbus und Bautzen, die unter anderem die Umwelt mit Braunkohlevergasung verdreckt - lockt ebenfalls mit ihrer monopolistischen Allzuständigkeit.

Dem Atomkraft-Kombinat der DDR gibt Spreer keine Zukunft. Das Saarland sei „grundsätzlich gegen den Einsatz von Atomkraftwerken“ und komme ganz gut ohne aus. Auch in der DDR seien „alle vermeintlichen Vorteile“ der Atomenergie in sich zusammengebrochen: „Sie sind weder sicher noch sind sie billig, wie der britische Atom-Pfennig zeigt, der die Konkurrenzfähigkeit des Atomstroms sichern soll. Dazu kommen die ungelösten Entsorgungsprobleme“. Wenn die DDR „nüchtern durchrechne, was das alles kostet, hat die Atomkraft keine Chance.

jow