Fauler Atomkompromiß spaltet Rot-Grün

■ Koalitionsstreit um den Berliner Hahn-Meitner-Reaktor

Berlin (taz) - Der am Dienstag abend erzielte Kompromiß über die Wiederinbetriebnahme des Forschungsreaktors BER II am Hahn-Meitner-Insitut (HMI) in Berlin-Wannsee führt den rot -grünen Senat spätestens im Sommer in eine neue Krise. Nach einer Marathonsitzung hatte die SenatorInnenrunde zwar beschlossen, die DDR-AnwohnerInnen des Forschungsreaktors -vornehmlich aus Potsdam - nun doch nachträglich an dem Verfahren zu beteiligen. Das „informelle“, im Atomrecht nicht vorgesehene Anhörungsverfahren birgt jedoch, so die für die Genehmigung zuständige Umweltsenatorin Schreyer (AL), ein „zeitliches und rechtliches Risiko“ für das HMI. Die DDR-Bürger können ihre Einwendungen zwischen dem 18. Mai und dem 18. Juli vorbringen. Bereits Ende Juli soll Schreyer laut Senatsbeschluß dann endgültig über die Wiederinbetriebnahme des umgebauten Neutronenspenders entscheiden.

Bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz erklärte die Umweltsenatorin gestern, sie habe diesem „etwas ungewöhnlichen“ Verfahren nicht zustimmen können. Da zwischen dem Ende der Auslegungsfrist und dem ihr im Senat abverlangten Entscheidungstermin nur wenige Tage lägen, drohe das Genehmigungsverfahren nun „zur Farce zu werden“. Erfolgversprechende Klagen der Einwender seien dann vorprogrammiert.

Das vom Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (IFEU) im Auftrag Schreyers erstellte Gutachten zur Entsorgung des Forschungsreaktors wurde im Senat auf Antrag des Regierenden Bürgermeisters Momper schlicht für unzureichend erklärt. In dem Gutachten war belegt worden, daß das in den abgebrannten Brennelementen enthaltene hochangereicherte Uran in den USA früher nahtlos in die Atombombenproduktion integriert worden sei. Schreyer hält eine politische Entscheidung des Senats über die Zukunft des Forschungsreaktors für rechtlich unzulässig und beharrt weiter auf ihrer alleinigen Zuständigkeit. Die sei ein „Essential der Koalitionsvereinbarung“. Außerdem habe selbst Forschungsminister Riesenhuber den Tenor ihres Gutachtens in einem Schreiben an die Berliner Wissenschaftssenatorin Barbara Riedmüller (SPD) mit den Worten bestätigt, Kernwaffenstaaten wie die USA seien „frei, Kernwaffenmaterial eigenverantwortlich zu verwenden“. Riesenhuber selbst drohte gestern aus Bonn einmal mehr, den Geldhahn für das zu 90 Prozent vom Bund finanzierte Forschungsinstitut zuzudrehen, da das Genehmigungsverfahren unter Schreyer „nicht mehr kalkulierbar sei“.

gero