Mehr Blutkrebs an der Dioxin-Kippe

■ BIPS-Studie beweist höhere Krebsrate bei Münchehagen / CDU und FDP sehen darin nur „übles Wahlkampfmanöver“

Im Umkreis der stillgelegten Sondermülldeponie Münchehagen (Landkreis Nienburg) gibt es eine erhöhte Krebsrate. Zu diesem Ergebnis kommt das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS) im unmittelbar angrenzenden nordrhein-westfälischen Landkreis Minden -Lübbecke. Die Studie wurde gestern in Hannover von der SPD vorgestellt. CDU und FDP warfen der SPD daraufhin „Panikmache“ und „üble Wahlkampfmanöver“ vor.

Die im Auftrag des nordrhein-westfälischen Sozialministers erstellte Studie ermittelte in den der Deponie am nächsten liegenden Gemeinden Petershagen und

Minden für die Zeit von 1984 bis 1989, daß die Neuerkrankungen an Blutkrebs (Leukämie) deutlich höher als im Gesamtkreis sind.

Um einen Zusammenhang zwischen ausgetretenen Deponiegiften und dem auffälligen Zuwachs an Blutkrebserkrankungen (Leukämie) nachzuweisen, sei jetzt eine genaue epidemiologische Untersuchung nötig. Ärzte und Bürgerinitiativen haben bereits mehrfach den Verdacht auf eine erhöhte Krebsgefahr im Umfeld der 1983 per Gericht stillgelegten Giftmülldeponie geäußert. In Münchehagen sind unter anderem hochgiftige Dioxine illegal eingelagert worden.

Die im Dezember 1989 in Auf

trag gegebene Studie mußte den größeren niedersächsischen Teil des Deponieumfeldes außer acht lassen, da das Sozialministerium in Hannover eine Beteiligung an der Untersuchung abgelehnt hatte. Die Umweltminister-Kandidatin der SPD, Monika Griefahn, sprach von einer „groben Fahrlässigkeit“ des niedersächsischen Sozialministeriums im Umgang mit der Gesundheit der betroffenen Bevölkerung. Das Sozialministerium rechtfertigte sein Verhalten damit, daß die Studie von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei. So sei auf nordrhein-westfälischem Gebiet bisher kein Seveso -Dioxin gefunden worden.

Griefahn warf den Landesbe

hörden dagegen vor, weder die Menschen in Münchehagen und Umgebung, noch die landwirtschaftlichen Erzeugnisse kontinuierlich kontrolliert zu haben, obwohl das „Supergift Dioxin“ wiederholt in einem angrenzenden Bach oder den nahegelegenen Böden gefunden worden sei. Als Sofortmaßnahme forderte Griefahn umgehende Untersuchungen und ein vorläufiges Verbot für die Landwirtschaft in der Umgebung. Auch die örtliche Bürgerinitiative wies die Darstellung des Sozialministeriums zurück und erinnerte an die Funde von Dioxinen und Furanen in der Ils auf dem Gebiet der Gemeinde Peters

hagen.

Das Sozialministerium beruft sich dagegen auch auf eine Studie der Ärztekammer Niedersachsen, die Anfang 1989 im Raum Münchehagen keine erhöhte Krebsgefahr festgestellt hatte. Außerdem sei eine Fachtagung von Giftexperten Ende 1988 ebenfalls zu diesem Schluß gekommen. Die Bremer Wissenschaftler kritisieren an der Studie der Ärztekammer Niedersachsen, daß sie sich lediglich auf Daten von niedergelassenen Ärzten gestützt, die Krankenhäuser jedoch nicht mit einbezogen habe. Damit sei die Studie nur beschränkt aussagekräftig.

Andreas Möser