„...damit sie nicht fremdenfeindlich werden“

■ Wie die Arbeiterwohlfahrt im Stadtteil multikulturelle Arbeit betreibt / Ein Besuch in Kinder- und Erwachseneneinrichtungen im Bezirk Wedding / Besonders wichtig: emotionale Bindungen und AnsprechpartnerInnen in der jeweiligen Muttersprache

Wedding. „Tristesse oblige“ - ein Spruch an einer Weddinger Hauswand. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) bemüht sich, diesem Bild mit sozialem Engagement entgegenzuwirken. Im Rahmen einer Veranstaltungswoche unter dem Motto: „Gemeinsame Verantwortung - gemeinsame Zukunft“ stellte die AWO am Mittwoch auf einer Pressefahrt verschiedene multikulturelle Einrichtungen vor. Anlaß für die Veranstaltungswoche ist nach Auskunft des Referatsleiters Ausländische Dienste, Mayer, die zunehmende Ausländerfeindlichkeit, die Verabschiedung der Ausländergesetze und der Wunsch, die Probleme der ausländischen Mitbürger angesichts der Entwicklungen im Osten nicht untergehen zu lassen.

Aufgrund der hohen Wahlergebnisse der „Republikaner“ hat man sich auch in den 15 bi- und multikulturell organisierten Kindertagesstätten der AWO mit der Frage beschäftigt, wie antifaschistische Kindererziehung aussehen könnte. In der Kita Reinickendorfer Straße, in der 120 Kinder aus sechs verschiedenen Nationen zusammen spielen, beklagt man sich über die „Ungerechtigkeit, daß interkulturelle Arbeit finanziell nicht besser abgesichert wird“. Eigentlich steht Kitas bei einem Anteil von mindestens 30 Prozent ausländischen Kindern ein soziokultureller Zuschlag zu, der von der AWO seit vier Jahren beantragt, doch vom Senat bisher nicht gewährt wurde. Die engagierten Erzieherinnen sind überzeugt von ihrem Konzept, meinen jedoch, im Vergleich zu Einrichtungen mit nur deutschen Kindern schwierigere Arbeitsbedingungen zu haben. Sie sehen es als wichtige Aufgabe, trotz der Umgangssprache Deutsch die Muttersprachen und kulturellen Verschiedenheiten der Kinder zuzulassen und zu fördern, um damit gegenseitiges Verstehen und Auseinandersetzung über „das Fremde“ auszulösen. Wichtig bei einer solchen Entwicklung sei deshalb, daß für die Kinder unterschiedlicher Nationalitäten AnsprechpartnerInnen ihrer Muttersprache da sind, um die emotionale Basis zu festigen. Zum interkulturellen Austausch gehört, daß man Feste der verschiedenen Kulturen gemeinsam feiert, zum Beispiel das „Zuckerfest“ zum Ende des Ramadan oder Ostern. Auch Projekte, zum Beispiel „Wie lebt man in der Türkei?“ gehören zur Erziehung. „Wenn deutsche Kinder mit ausländischen Kindern positive Erfahrungen machen“, glauben die Erzieherinnen, „können sie nicht fremdenfeindlich werden.“

Das Kulturangebot im Treffpunkt für Frauen aus Jugoslawien und der Türkei in der Oudenaarder Straße im Wedding werde gern als „Schrippenkultur“ belächelt, erzählt eine Mitarbeiterin. Man sei jedoch stolz darauf, von der „Sozialbetreuung und der Nähmaschine bis zur Dichterlesung“ gekommen zu sein, was bedeute, Frauen auch für Bereiche außerhalb ihrer traditionellen Rollen zu interessieren. Dennoch liegt der Schwerpunkt der Arbeit in der Beratung bei alltäglichen Problemen, in der Alphabetisierung und in Deutschkursen. In der Wohnzimmeratmosphäre der Ladenwohnung wird den in ihren Wohnungen oft isoliert lebenden Frauen ein Ort der Kommunikation geboten.

Sigrid Bellack