1.-Mai-Ritual

■ Abgeordnetenhaus diskutierte routinemäßig den 1. Mai / Einigkeit bei SPD und CDU, Reps hetzten gegen Ausländer

Der 1. Mai in Kreuzberg war gestern Gegenstand einer Aktuellen Stunde im Abgeordnetenhaus. Wie zu erwarten, hatten die Reps einen Mißtrauensantrag gegen Innensenator Pätzold in der Tasche, sie hatten auch die Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt. Der Rep-Abgeordnete Degen - der nach eigenen Angaben an diesem Tag darauf verzichtet hatte, einen Tag im Grünen zu verbringen und statt dessen bei der Einsatzleitung in Kreuzberg gewesen sei (bei seinen Polizeiparteifreunden?) - wußte zu berichten, daß die Krawalle in diesem Jahr sogar noch schlimmer gewesen seien als im Vorjahr. Kreuzberg sei verwüstet und geplündert zurückgeblieben. Er zitierte angebliche Polizeiangaben, denen zufolge 80 Prozent der Gewalttäter türkische Jugendliche gewesen sein sollen (was diese nie behauptet hat), und benutzte diese Zahl, um die sattsam bekannten Forderungen der Reps zur Ausländerpolitik vorzutragen. Der „kriminelle Abschaum“ an türkischen Jugendlichen, so Degen, gehöre aus Kreuzberg abgeschoben.

Überraschende Einigkeit herrschte in der Beurteilung des 1. Mai in den Redebeiträgen von SPD und CDU. Zwar kritisierte der CDU-Abgeordnete Landowsky Innensenator Pätzold, er schloß sich aber mehrfach ausdrücklich den Ausführungen seines Vorredners Lorenz von der SPD an. Lorenz äußerte sich „äußerst beunruhigt“ über den hohen Anteil ausländischer Jugendlicher an den Krawallen. Der Druck auf Ausländer in der Stadt habe seit dem 9. November enorm zugenommen, und der Senat habe sich erbärmlich wenig für ihre Belange eingesetzt. Landowsky griff die AL scharf an, deren Einstellung zur Gewaltfrage einen verheerenden Einfluß auf die entsprechende Szene in Kreuzberg ausgeübt habe. Die AL -Abgeordnete Lena Schraut plädierte erneut für eine verbale Auseinandersetzung mit allen Gruppen in Kreuzberg. Obwohl Fest und Demo friedlich verlaufen seien, sei die Randaletradition noch nicht endgültig gebrochen.

kd