IWF-Tagung ignorierte Kritik an Brady-Plan

Eine unveröffentlichte Studie von Währungsfonds und Weltbank konstatiert schleppende Verhandlungen und mangelnde Schuldenerleichterungen durch den Plan / Beobachtungsinstitut der Gläubigerbanken warnt vor Anhäufung von Zahlungsrückständen  ■  Aus Washington Rolf Paasch

Es war wieder einmal ein trauriges Schauspiel, das die 22 Mitglieder des Interimsausschusses im Internationalen Währungsfonds (IWF) auf ihrer am Montag zu Ende gegangenen Frühlingstagung boten. In einem faulen Kompromiß hatte sich der Ausschuß, der die zukünftige Schuldenstrategie des IWF bestimmt, eine nur 50prozentige Aufstockung des IWF-Kapitals um 69 Milliarden auf 180 Milliarden Dollar geeinigt. Alle Versuche Frankreichs und der Entwicklungsländer, eine Verdoppelung oder wenigstens eine Zweidrittelaufstockung des Fonds durchzusetzen, waren wie erwartet wieder einmal am Widerstand der USA und Großbritanniens gescheitert. Die Schuldnerländer setzten lediglich durch, daß über die nächste Erhöhung der Kapitalausstattung des IWF bereits 1993 und nicht erst 1995 entschieden wird.

Statt sich einer dringend notwendigen Reform des sogenannten Brady-Planes zur Schuldenentlastung zu widmen, verbrachten die Vertreter der Industrieländer den größten Teil des Treffens mit eifersüchtigen Rangeleien um die Quotenregelung der fünf größten Geldgebernationen. Dabei kommt die Kritik an dem Brady-Plan, der die prekäre Lage der Schuldnernationen mehr über einen Schuldenerlaß als über neu Kredite verbessern sollte, mittlerweile selbst aus den Reihen der Weltbank. Benannt ist der Plan nach dem US -Finanzminister Nicholas Brady, der ihn 1989 vorstellte.

Eine unveröffentlichte, gemeinsame Studie von IWF und Weltbank, die am Wochenende dem Entwicklungsausschuß beider Organisationen vorgelegt werden sollte, konstatiert, daß die Erfolge des Brady-Plans hinter den Erwartungen zurückgeblieben seien. Die Verhandlungen zwischen den kommerziellen Banken und den Regierungen der Schuldnerländer, so der interne Bericht, hätten länger gedauert als erwartet. Nur im Falle von Mexiko und den Philippinen ist es bisher zu einem Abkommen über die Schuldenerleichterung gekommen. Und selbst in diesen Fällen sei der Schuldenerlaß niedriger ausgefallen als erhofft. Mexiko bezahlt immer noch zwei von fünf Dollar seiner Exporteinnahmen an die ausländischen Banken zurück, und insgesamt beträgt die Schuldenlast der Länder Lateinamerikas noch 430 Milliarden Dollar. Sowohl Weltbank als auch der IWF hatten für die nach dem US-Finanzminister benannte Brady -Initiative aus dem letzten Jahr je zwölf Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt; wobei dafür diesen Schuldnern allerdings der Zugang zu anderen Fonds der Organisationen versperrt wurde. Unterm Strich ist also nach diesem internen Bericht kein Nettogewinn dabei herausgekommen. Und so fordert Weltbankpräsident Barber Conable intern sogar die Bereitstellung von noch mehr Mitteln für den Brady-Plan als der gemeinsame Bericht seines Hauses und des IWF an den Entwicklungsausschuß. Ein alternativer Bericht von Mitarbeitern des konservativeren IWF an dessen politikbestimmenden Interimsausschuß ist weitaus unkritischer.

Bereits im März hatte auch der frisch ausgeschiedene Pressechef der Weltbank, Frank Vogl, eine verbesserte Neuauflage des Brady-Plans gefordert. Vogl, der nun als Chef einer Beratungsfirma sagen kann, was er sich als Weltbankmitarbeiter verkneifen mußte, hält Steuererleichterung für die kommerziellen Banken zur möglichen Schuldenabschreibung für eine dringend notwendige Ergänzung des auch seiner Meinung nach mangelhaften Brady -Plans. Vogl fordert unter anderem Anreize für private Direktinvestitionen in den Schuldnerländern.

Eine jetzt veröffentlichte Studie des Washingtoner „Institute of International Finance“ (IFF) weist auf eine andere Schwäche des Brady-Plans hin. Die Initiative habe zu einem Nachlassen der Zahlungsdisziplin der Schuldnerländer vor allem gegenüber den kommerziellen Banken geführt; was demnächst auch den IWF vor das Problem ausstehender Rückzahlungen stellen werde. Die Studie spricht sich gegen Erleichterungen bei den Schulden durch die Anhäufung von Zahlungsrückständen aus und sieht den Grund dafür in einer Unterfinanzierung und Inflexibilität des Brady-Plans. Das IFF ist eine von internationalen Geschäftsbanken getragene Agentur, die die Szenerie der Drittweltschulden beobachten soll.

In der vergangenen Woche ging das Washingtoner „Economic Policy Institute“ (EPI) mit einer herben Kritik an der Schuldenpolitik der Bush-Administration und des Brady-Plans an die Öffentlichkeit. In einer ökonometrischen Analyse des Kapitalflusses von acht lateinamerikanischen Ländern zwischen 1973 bis 1987 errechnet der Autor Manül Pastor Jr., daß diese Nationen enorme Schulden anhäuften, während ihre reichsten Bürger kräftig im Ausland investierten. Die während des Untersuchungszeitraums gemessene Kapitalflucht von 151 Miiliarden Dollar (!) entspricht dabei 43 Prozent der in diesen Jahren angehäuften Schulden. Die Studie mit dem Titel „Kapitalflucht und Lateinamerikanische Schuldenkrise“ des liberalen Forschungsinstituts macht vor allem die von IWF und dem Brady-Plan geforderte Beseitigung aller Kapitalkontrollen für das finanzielle Ausbluten der Schuldnerländer verantwortlich.

All diese Kritikpunkte und Anregungen zu einer Reform des Brady-Plans waren jedoch kaum Gegenstand der Diskussionen auf der Frühjahrstagung des IWF. Die USA scheinen nach dem Abschluß eines Schuldenabkommens mit dem Nachbar und Hauptsorgenkind Mexiko kaum noch Interesse an der Situation in den anderen Ländern Südamerikas zu haben. Die Europäer sind in erster Linie mit der Hilfe Osteuropas beschäftigt. Und außerdem gab es ja noch die für das Selbstwertgefühl der Industrieländer ungleich wichtigere Problem der neuen Rangliste der Stimmrechte nach der Quotenaufstockung zu diskutieren.