„Ich nehme an, daß Geld dasein wird“

■ Dr. Wolfgang Denda (SPD) wird ab Ende Mai Frankfurt an der Oder regieren / Mit welchem Geld, kann er noch nicht sagen, da ihm jeder Überblick über die Finanzen fehlt / Hauptsorge ist das personelle Problem: Wen aus der alten Garde wechselt man aus?

taz: In zwei Wochen werden Sie Oberbürgermeister in Frankfurt an der Oder. Haben Sie eine Idee, wo Sie nach der Währungsunion das Geld für die Julilöhne der kommunalen Bediensteten auftreiben könnten?

Dr. Wolfgang Denda: Im Moment bin ich nicht so informiert über die Finanzen der Stadt, wie die Antwort erfordern würde. Ich nehme aber an, daß in Zukunft im Rat der Stadt und den Betrieben noch Haushaltsmittel zur Verfügung stehen, weil die geplante Wirtschafts- und Währungsunion festschreibt, daß wir alle noch Einkommensteuer zahlen müssen nach unseren alten DDR-Tabellen. Demnach müßte der Haushalt noch einigermaßen funktionieren.

Sind Sie da so sicher? Der Staatsvertrag verpflichtet die DDR, mit dem Tag der Währungsunion das komplizierte bundesdeutsche Haushalts- und Steuerrecht zu übernehmen. Das bringt kurzfristig keinen Pfennig Einnahme, vernichtet nur die bisherige finanzielle Basis der DDR-Kommunen.

Ja, diesen Punkt übersehe ich noch nicht richtig. Wir müssen Übergangsregelungen schaffen und eine Übergangszeit durchstehen. Ich weiß ja nicht nur beim Geld nicht, worum es geht. Wir schwimmen in ein gesetzloses Vakuum hinein. Es gibt keine Gemeindeverfassung, keine Länderverfassung, wir haben keine Geschäftsordnung, keine Hauptsatzung - wir haben überhaupt nichts in dieser Stadt hier.

Wie könnten Übergangsregelungen aussehen?

Was soll ich dazu sagen? Wahrscheinlich werden wir noch ein bißchen nach den alten Gewohnheiten arbeiten und uns dann sachte dem Neuen widmen.

Was nützen alte Gewohnheiten und Bestimmungen, wenn die Betriebe schon jetzt nicht mehr zahlen (können) und die Stadt Frankfurt bis heute noch keinen Haushalt für 1990 beschlossen hat?

Da wissen Sie mehr als ich. Aber Sie wissen auch, daß man ohne bestätigten Haushalt arbeiten kann. Manche machen das schon monatelang. Ich muß es noch mal sagen: Wir haben uns hier über Verwaltungsstrukturen und auch personelle Fragen unterhalten. Die finanziellen Dinge zu durchschauen wird etwas schwieriger werden. Da müssen wir erst mal einen ordentlichen Dezernenten für das Finanzressort haben. Durch die Geschichte müssen wir uns nach und nach durchwursteln. Vergessen Sie bitte nicht, die Wahl hat erst vor einer halben Woche stattgefunden.

Das heißt, Sie haben keinerlei Einblick in die Finanzsituation der Stadt?

Nein. Zur Zeit ist der amtierende Oberbürgermeister der Stadtrat für Finanzen. Er müßte uns mal gelegentlich sagen, wie es überhaupt aussieht. Aber jetzt ist noch nicht der Zeitpunkt, darüber zu reden, denn wir können die Informationen ja erst in 14 Tagen nach der Konstituierung des Rates anwenden.

Danach haben Sie vier Wochen Zeit, sich auf die Währungsunion einzustellen. Ich bewundere Ihre Gelassenheit.

Was soll ich denn machen? Die Löhne und Gehälter sind nicht das einzige Problem, das wir einer Lösung zuführen müssen. Auch die Stadtwirtschaft, Abwasserversorgung und so weiter brauchen staatliche Zuschüsse.

Können Sie auf Finanz- und Rechtsexperten zurückgreifen, die Sie beraten?

Doch, ein sehr guter Bekannter, der Direktor des Alfred-Nau -Bildungszentrums in Bergneustadt, hat mir versprochen zu kommen. Auch in Bochum werde ich nächste Woche versuchen, Leute zu finden, die uns eine Weile unter die Arme greifen; und dann hat der Bürgermeister unserer Partnerstadt Heilbronn seine Hilfe angeboten. Wenn es nötig sei, sollten wir ihn bitten, uns Leute oder Material zu schicken. Ohne fremde Hilfe sind wir erschossen hier. Sofern es die gibt, und das glaube ich, wird es weitergehen, Schritt für Schritt.

Welchem Problem gilt denn momentan Ihre Hauptsorge?

Dem personellen. Die Verwaltung ist von oben bis unten voll mit Leuten aus der alten Ära. Wir müssen einige auswechseln, möchten aber niemanden rauswerfen, der uns helfen kann und möchte. Im Wahlprogramm haben wir uns verpflichtet, den Geist der SED aus den Rathäusern zu treiben. Aber in wem steckt der Geist?

Interview: Petra Bornhöft