FIGAROS IN PARIS

■ Vom touristischen Überleben zwischen Maxim's und ChampsElys es

Vom touristischen Überleben zwischen Maxim's und Champs Elysees Sous le Pont Mirabeau coule

la Seine - et la merde.

(Fran?ois Beranger

Paris, einmaliges Paris. Neben dem Cafehaustischchen röhrt und rackert ein Peugeot in seiner Parklücke, und sanft legt sich ein Hauch von Diesel würzend über den Croissant. Weil gerade ein motorisierter Hundekotaufsauger sich seinen Weg durch die Tische bahnt und der Bürgersteig ohnehin durch das Inventar eines levantinischen Obstverkäufers, eine protzende Harley-Davidson und diverse schwatzende Müßiggänger in Anspruch genommen wird, läßt ein gutmütiger US-Tourist aus Kansas City bei seinen Ausweichmanövern schließlich „pardon, Sir“ - tischstoßenderweise den Kaffee überschwappen, so daß der Rechnungscoupon nur noch mühsam zu entziffern ist. Aber wir lesen richtig: 16 Francs, sprich: knapp fünf DM, Croissant extra, Trinkgeld auch.

Trotz täglich kollabierenden Verkehrs, grotesken Gedränges in der Metro, im Bus und anderswo sowie erschütternden Preisen kommen noch Touristen in Frankreichs Hauptstadt, belasten den Verkehr, erhöhen das Gedränge und lassen die Preise steigen... Nun gut - Paris ist eben die einzige Weltstadt des Kontinents (Protestschreiben sind an die Leserbriefredaktion zu adressieren...), und, obwohl die konservative Stadtverwaltung alles tut, um Arme, Ausländer und Einheitslohnabhängige mit urbanen Tricks aus der Stadt zu treiben, es läßt sich dennoch einigermaßen überleben, wie auch die Existenz von einigen Tausend Pariser Clochards täglich aufs neue beweist. Zur Orientierung

Paris hat sich in breiten Ringen um die Seine-Insel Cite gelegt. Der letzte Kreis heißt Boulevard Peripherique und ist stets verstopft. Dahinter beginnt die Banlieue, die „Bannmeile“, wohin die Armen ausgesiedelt wurden (aber auch hier hat sich schon manches geändert). Grundregel im Pariser Überlebenskampf: je weiter außen ein Ring liegt, desto billiger lebt es sich in ihm. Die einzige Ausnahme bildet der südwestliche Quadrant, wo alles teuer ist. Wer den Stadtplan vergessen hat: An jedem Metro-Schalter gibt es gratis recht detaillierte Busroutenpläne, die auch dem Fußgänger die Orientierung erlauben. Sous les ponts

Die Unterkunft ist heikelstes Kapitel einer Parisreise. Das Problem ist zur vollen Zufriedenheit nur für den Glücklichen lösbar, der in der Stadt Freunde hat oder sich nicht scheut, einen der rar gesäten Punks nach dem nächsten „Squat“ zu fragen; besetzte Häuser gibt es - naturgemäß mit wechselnden Adressen - in Belleville und Barbes.

Für alle anderen empfiehlt es sich, beim „Accueil des Jeunes en France“ vorzusprechen (genau gegenüber dem Centre Pompidou, Tel.: 42.77.87.80, tägl. außer So. von 9.30 bis 19.30 Uhr; oder auch im Gare du Nord), wo relativ preiswerte Unterkünfte vermittelt werden. Auch ein Anruf bei einer der Jugendherbergen kostet nur einen Franc: „Auberge Jules Ferry“, 8, Boulevard Jules Ferry, Tel.: 43.57.55.60; „Auberge d‘ Artagnan“, 80, Rue Vitruve, Tel.: 43.61.08.75. Pro Nase muß mit 85 Francs gerechnet werden. Die Mitgliedschaft im Jugendherbergsverband kostet außerdem 60 Francs für Jugendliche unter 26.

Wer früh aufsteht bzw. durchgemacht hat, kann sich ab 7 Uhr im „Le Fauconnier“ (11, Rue du Fauconnier, Metro St. Paul, Tel.: 42.74.23.45) melden und versuchen, ein Zimmer in einer der drei Villen zu reservieren (80 Francs, inkl. Dusche und Frühstück).

Wer ein Zelt sein eigen nennt, sollte versuchen, sich auf dem einzigen Campingplatz von Paris, am Westrand des Bois de Boulogne, ein Fleckchen zu reservieren (noch sind Plätze zu haben): Allee du Bord de l'Eau, Tel.: 45.24.30.00.

Bleiben die Pariser Hotels, mit dem herben Charme ihrer konvexen Matratzen, den nikotingedünsteten Blümchentapeten und Wänden, die mühelose Kommunikation mit den Mitbewohnern ermöglichen. Etwas für Romantiker. Wenn auch das legendäre „Hotel du Nord“ aus gleichnamigem Film am Canal Saint Martin (besuchen!) abgerissen werden soll, so hat es doch jede Menge Wahlverwandte in der Stadt. Wer bis zu 200 Francs ausgeben kann (in Frankreich wird pro Zimmer bezahlt Mitbewohner haben nur einen unterproportionierten Aufschlag zu zahlen), kann sich selbst im Quartier Latin auf Zimmersuche begeben. Wer nur bis zu 100 Francs gehen möchte, sollte sich in den weniger geschniegelten Vierteln umsehen. Rund um die Metro-Stationen Stalingrad, La Chapelle, Barbes wimmelt es von billigen, „Hotel“ genannten Absteigen. Das stark überteuerte Fachbuch Paris pas cher nennt an guten Hotels das „Hotel de Vienne“ (ca. 90 Francs, 43, Rue de Malte, Metro Republique, Tel.: 48.05.44.42); das „Hotel Coypel“ (65 Francs, 2, Rue Coypel, Metro Place d‘ Italie, Tel.: 43.31.18.08); das „Hotel Le Marois“ (90 Francs, 18, Rue Le Marois, Metro Porte Saint Cloud, Tel.: 46.51.13.14) und das „Hotel du Ranelagh“, (80 Francs, 56, Rue de l'Assomp

tion, Metro Ranelagh, Tel.: 42.88.31.63). Alles fließt - Verkehrsmittel

Bereits eine flüchtige Studie der Pariser Metro-Sitten wird den Besucher davon überzeugen, daß Drehkreuze und guillotinenartige Klapptüren ohne weiteres zu überspringen oder zu umgehen sind. Kontrollen im Zug sind sehr selten, in zentralen Stationen (Chatelet!) recht häufig. Diese Bemerkung sei nur aus gewissermaßen landeskundlichen Erwägungen heraus gemacht, ebenso jene, wonach Bußgeldbescheide und ähnliches in der Regel nie ihren Weg über den Rhein (und schon gar nicht über die Elbe) finden. Aber auch ganz legal ist Metro-Fahren billig. Zehn Tickets (ein „Carnet“) kosten 31,20 Francs, erlauben unbegrenztes Umsteigen und gelten auch im Bus (dort müßte allerdings theoretisch - auf verschiedene Zonen geachtet werden). Für die Schnellbahn RER gelten die Normalfahrkarten nur im Stadtbereich (innerhalb des Boulevard Peripherique). Das sogenannte „Formule-1„-Ticket kostet 20 Francs (für die Zonen 1 und 2, also Paris und die engere Banlieue) und erlaubt freies Umherfahren während eines Tages. Für drei (70 Francs) bis fünf (115 Francs) Tage gibt es das „Paris -Visite„-Ticket, das auch für die Banlieue gilt. Stadtrundfahrten per Bus sind zu empfehlen. Die Linien 21 und 27 fahren von der Gare Saint-Lazare durch Opernviertel, Quartier Latin und die Quais entlang. Der 67er durchquert Montmartre und endet an der Place d'Italie. Essen und Gegessenwerden

Es ist möglich, in Paris ein Menü für sieben Francs zu bekommen. Und zwar in den diversen Wohnheimen für afrikanische Arbeiter, in denen traumhaft schöne, in Batik gekleidete Frauen in großen Bottichen Couscous und Poulet au Citron kochen. Wo diese Inseln der Seligen liegen, kann natürlich in einem Massenblatt wie der taz nicht verraten werden, aber: Es gibt sie, etwa in der Nähe des Parks Buttes -Chaumont.

Menüs unter 50 Franc lassen sich, vor allem mittags, durchaus finden. In der Nähe der Bahnhöfe, in den Seitengassen von Belleville und Menilmontant gibt es französische Restaurants, in denen die Angestellten und Handwerker der Umgebung zwischen 12 und 14 Uhr Mittag essen. Kein Geheimtip mehr, aber unbedingt sehenswert: das Prolo -Restaurant von Chartier. Gut, billig, schnell - und dennoch mit allen Finessen französischer Tafelkunst versehen, inklusive der numerierten Besteck- und Serviettenfächer für die Stammkundschaft (7, Rue du Faubourg Montmartre)

Einen unerreichten Sättigungsgrad verschafft Couscous (30 bis 40 Francs), ein überall erhältliches Weizengriesgericht aus Nordafrika, mit Gemüsesuppe und - auf Wunsch Fleischbeilage. Für Gries und Suppe gibt es auch Nachschlag. Billige Couscous-Restaurants gibt es sogar in Touristengegenden wie der Place de la Contrescarpe. Ansonsten ist, nicht nur aus monetären Gründen, chinesische Küche sehr zu empfehlen. Die Chinatowns der Stadt liegen rund um die Metro-Station Belleville und - vor allem - an der Place d'Italie.

Wer mittags sehr hungrig ist, kann natürlich auch in eine der Uni-Mensen gehen, die es in jedem Stadtviertel gibt (kurz „Resto‘ U'“ genannt). Studentenausweise werden meist nicht verlangt, wenn doch, läßt sich ein Student finden, der seine Tickets verkauft. Ein Menü gibt's für ca. 10 Francs, für Nicht-Studis ca. 6 Francs mehr (Resto‘ U's in der Innenstadt: 39, Rue Bernanos; 10, Rue Jean Calvin; 3, Rue Censier; 8bis, Rue Cuvier; 3, Rue Mabillon; 156, Rue Vaugirard).

Zum Schluß und Trost noch zwei Hinweise. Das beste Eis gibt es in der Pariser Keimzelle Ile Saint Louis bei „Bertillon“. Lange Schlangen weisen den Weg. Und Haute Coiffure für jedermann/jedefrau, sofern er/ sie nicht glatzköpfig ist: Robert Delaune (29, Rue de Mogadur, Tel.: 48.74.55.66) und Francis Lambert (36, Rue de Courcelles, Tel.: 43.59.80.40) schneiden jeden Donnerstag um 19 Uhr bzw. Dienstag um 18 Uhr Trainingsfrisuren. Haarelassen - das einzige, was in Paris umsonst ist.

Alexander Smoltczyk