Berlin zittert um Finanzspritzen

■ Für die künftigen Länder in der DDR soll Deutschlandfonds gegründet werden / Finanzsenator Meisner fürchtet, daß Ost-Berlin leer ausgeht / Bonn will Berlin-Hilfe und Berlin-Förderung streichen / Meisner und Mitzscherling fordern Übergangszeit von drei bis vier Jahren

Berlin. Nachdem sich die erste deutsch-deutsche Euphorie gelegt hat, zittert der Berliner Senat jetzt um die finanzielle Unterstützung aus Bonn: Für Aufregung sorgten gestern Vorschläge aus Bonn und verschiedenen Bundesländern, einen sogenannten Deutschlandsfonds für die künftigen Länder der DDR zu gründen. Die Gelder für diesen Fonds sollen nach Vorstellung der Bundesregierung und einem Modell der niedersächsischen Finanzministerin Breuel (CDU) unter anderem aus Einsparungen finanziert werden, die durch Streichungen im Bereich der Bundeshilfen an Berlin, der Berlin-Förderung und der Arbeitnehmerzulage für Berliner vorgenommen werden könnten. Die Länder sollen in den Fonds Steuermehreinnahmen und Einnahmen aus einer Neuverteilung der Umsatzsteuer einzahlen. Nach den jetztigen Plänen soll der Fonds ab nächstem Jahr in voller Höhe mit 130 Milliarden Mark gefüllt sein, ein Teil davon soll bereits ab dem 2.Juli eingezahlt werden.

Wie Finanzsenator Meisner gestern vor Journalisten ausführte, wird Berlin, sollte es zur Umsetzung dieser Pläne in Bonn kommen, in besorgniserregender Weise betroffen sein. Bei der zu erwartenden Neugliederung der Länder in der DDR wird Ost-Berlin keinen eigenen Länderstatus erhalten, vielmehr wird es mit der staatlichen Vereinigung - und damit der Vereinigung beider Teile der Stadt - dem West-Berliner Haushalt zugeschlagen werden. Auch bis zur Bildung eines Landes Berlin wird Ost-Berlin nach den jetzigen Plänen kein Geld aus dem Fonds zu erwarten haben. In dieser äußerst angespannten Situation sei es unvorstellbar, daß Berlin übergangslos die Unterstützung aus Bonn gestrichen werde, so Meisner. Vielmehr erfordere die Überwindung der Folgen der Teilung, die in Berlin wie in keiner anderen deutschen Stadt zu spüren sein werden, mehr Finanzhilfe als bisher. „Die Schmerzgrenze im Berliner Haushalt ist bereits erreicht.“ Um die sozialen und wirtschaftlichen Probleme in Berlin einigermaßen aufzufangen, so Meisner unisono mit seinem Kollegen aus dem Wirtschaftsressort Mitzscherling, sei eine Übergangszeit von drei bis vier Jahren erforderlich. Ab 1993 sei man bereit, den schrittweisen Abbau der Berlin-Förderung in Kauf zu nehmen. Denkbar seien auch ein Abbau der Flugpreissubventionen und der Vorratshaltung. „Die vorliegenden Finanzierungsvorschläge können von Berlin nicht akzeptiert werden“, meinte Meisner in Richtung Bonn.

Berlin erhält derzeit aus Bonn rund 13 Milliarden Mark für den Jahreshaushalt und 9 Milliarden Mark für die Berlin -Förderung. Seit der Maueröffnung sei die Haushaltslage so angespannt, daß weitere Belastungen zur Neuverschuldung führen müßten, so Meisner. „Bonn wird erst jetzt bewußt, was die Einheit kostet“, kritisierte er die Bundesregierung. Scharfe Kritik an den „skandalösen“ Bonner Plänen übte gestern auch der Berliner DGB-Vorsitzende Michael Pagels. Er forderte eine Novellierung des Berlin-Förderungsgesetzes zugunsten Berlins, in die die gesamte Region Berlin -Brandenburg mit einbezogen werden solle. Auch der SPD -Finanzexperte Kern stimmte in den Kanon ein: Seine gestrige Kritik zielte vor allem auf Frau Breuel in Hannover, die in ihrem Modell vorgeschlagen hatte, zwar für Berlin jegliche Förderung sofort zu streichen, die Zonenrandförderung aber noch mindestens fünf Jahre lang aufrechtzuerhalten.

kd