War General Custer ein Sioux?

■ Zum „authentischen“ Indianer-Film „Ein Mann, den sie Pferd nannten II“, Samstag, ARD 23.20 Uhr

Indianer, besonders die nordamerikanischen, haben mich fasziniert, seit ich Karl Mays Winnetou verschlungen habe. Daß die stolzen roten Männer und Frauen sehr wenig mit dem Bild zu tun hatten, das Herr May und später auch Hollywood uns vorgaukelten, wurde mir schnell klar. Um so aufgeregter war ich, als 1970 ein Film in die Kinos kam, der als „erster absolut authentischer Indianerfilm“ vorgestellt wurde. Ein Mann, den sie Pferd nannten war der vielversprechende Titel, und es hieß, Regisseur Elliot Silverstein hätte so etwas wie eine filmische Entschuldigung an die Ureinwohner Amerikas gedreht. Dem Zuschauer wurde versprochen, daß ihm das wahre Denken und Fühlen der Indianer und ihre Stammeskultur verständlich gemacht werden würde.

Der Vorspann des Films steigert die Spannung noch. Wir werden belehrt, daß die gezeigten Rituale nach Briefen und Gemälden von Augenzeugen jener Zeit dokumentiert worden sind und daß „das Ritual des Sonnengelübdes Ende des 19. Jahrhunderts von der amerikanischen Regierung verboten wurde“. Dann geht's los! Wir sehen die Geschichte vom englischen Edelmann, der unter die Indianer fiel.

Lord John Morgan (gespielt vom irischen Schauspieler Richard Harris) wird im Jahre 1825 in Dakota von Sioux gefangen genommen. Die roten Männer haben noch nie einen Weißen zu Gesicht bekommen, und so deklariert Häuptling Yellow Hand den Lord kurzerhand zum Chatawakan, was „Pferd“ bedeutet, und schenkt ihn seiner Mutter Buffalo Cow Head als Arbeitssklaven. Aber das „Pferd“ will unbedingt Indianer werden und ist außerdem mächtig scharf auf Running Deer, die niedliche Schwester des Chefs. Als er mitkriegt, daß Männer mit Haaren im Gesicht als ekelig gelten, zupft er sich kurzerhand die Stoppeln aus der Haut.

Und dann hat der blonde Lord das seltene Glück, zwei feindliche Shoshonen töten und skalpieren zu dürfen. Die dabei erbeuteten Pferde benutzt er, um vom Häuptling die schöne Running Deer zu kaufen. Yellow Hand ist im Prinzip einverstanden, will aber erst noch den Beweis, daß „Pferd“ wirklich ein Mann ist. Der Medizinmann treibt dem Lord zwei Pflöcke aus Knochensplittern durch die Haut seiner Brust, daran werden Seile aus Pferdehaar befestigt, an denen er dann aufgehängt wird.

Nachdem der weiße Mann bewiesen hat, daß er, wie seine roten Brüder, auch keinen Schmerz kennt, darf er heiraten und wird zum Krieger erklärt. Aber das Glück währt nicht lange. Bei einem Angriff der Shoshonen wird die schwangere Running Deer getötet und auch Yellow Hand geht in die ewigen Jagdgründe ein. Lord Morgan übernimmt die Führung und schlägt den Angriff zurück.

Achtzig Prozent der Dialoge des Films sind in der Sioux -Sprache. Die Sioux-Indianer der Rosebud-Reservation in Süd -Dakota und zahlreiche Experten wirkten mit. Mir hat der Film damals (ich war 14) so gut gefallen, daß ich ihn mir gleich am nächsten Tag noch einmal angeschaut habe. Ich als Laie war völlig überwältigt. So muß es damals gewesen sein, dachte ich, so waren sie wirklich die Indianer. Denkste! Die Fachkritik machte mir mein buntes Bild vom schönen zähen Wilden gleich wieder kaputt. In unzähligen Besprechnungen fanden sich lange Aufzählungen von teilweise diskriminierenden Verfälschungen der Sioux-Zivilisation.

In der Indianerzeitschrift 'Sioux Falls Leader‘ bemängelte Art Raymond, selbst ein Sioux, daß die Filmemacher nicht einmal wußten, „daß die Sioux ihre Pferde von rechts besteigen, nicht von links, wie die weißen Männer das tun“. Und er wehrt sich gegen die Unterstellung, daß die Sioux ihre alten Leute verlassen würden: „Das ist einfach nicht wahr. In der Sioux-Kultur hatten die Alten einen besonderen Ehrenplatz.“ Die Sprache ist für ihn „in Ordnung“, und die meisten (nicht alle) Lieder hält er für echt. Aber „wenn Ein Mann, den sie Pferd nannten authentisch ist, ist mein Name George Armstrong Custer“, behauptet Art Raymond. Gemeint ist natürlich der berüchtigte Indianer-Schlächter General Custer, dem die roten Krieger in der berühmten Schlacht am Little Big Horn 1876 den Garaus machten.

Der Film wurde, trotz aller Kritik, ein finanzieller Erfolg. So drehte man sechs Jahre später leider eine Fortsetzung.

Doch was uns da als Der Mann, den sie Pferd nannten II (The return of a man called horse) zugemutet wird, hat außer dem Hauptdarsteller, mit dem ersten Teil nichts gemeinsam. Lord Morgan kehrt nach einem Jahr England-Aufenthalt in den Westen zurück. Von seinem alten Stamm sind nur noch wenige übrig. Der Großteil wurde von weißen Trappern und feindlichen roten Kollegen umgebracht oder versklavt. Morgan bildet den völlig demoralisierten Rest an modernen Schußwaffen aus und unterwirft sich noch einmal dem schmerzhaften Sonnen-Ritual. Dann ziehen sie gemeinsam los und meucheln die bösen Roten und die verhaßten Weißen.

Die Geschichte wirkt völlig unglaubwürdig und ist im Gegensatz zum ersten Teil auch noch schlecht inszeniert. Es gibt sogar noch einen dritten Teil, den habe ich mir dann aber allerdings erspart.

Karl Wegmann