Weg frei für die Einheitsgewerkschaft

■ Nach Entmachtung des FDGB stellen sich die Weichen für eine Vereinigung der Gewerkschaften in Ost und West

Berlin (taz) - Die Gewerkschaften in der Bundesrepublik und in der DDR wollen sich nach Möglichkeit noch in diesem Jahr zu einer unabhängigen starken Einheitsgewerkschaft unter dem Dach des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zusammenschließen. Dies haben der neugewählte Vorsitzende des Sprecherrats der DDR-Gewerkschaften, Peter Rothe, und der DGB-Vorsitzende Ernst Breit in Düsseldorf mitgeteilt.

Zwei Tage nach der „politischen Entmachtung des FDGB“ (Rothe) war der Sprecherratsvorsitzende zum großen Bruder nach Düsseldorf geeilt, um die politischen Weichen in Richtung Einheitsgewerkschaft zu stellen. Einen konkreten Zeitplan gibt es noch nicht, aber noch vor der staatlichen Einheit soll alles unter einem Dach sein. Als Mindestforderung für den staatlichen Vereinigungsprozeß nannten die beiden Spitzenfunktionäre die Übernahme der Mitbestimmungsgesetze der BRD für das zukünftige Gesamtdeutschland.

In Stuttgart hat sich die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) auf einer Sitzung ihres Vorstands auf ein mehrgleisiges Vorgehen beim deutsch -deutschen gewerkschaftlichen Vereinigungsprozeß verständigt.

Einerseits soll die Gewerkschaft ÖTV in der DDR neu gegründet werden, um den vielfältigen gewerkschaftlichen Basisaktivitäten im schwierigen Organisationsbereich öffentlicher Dienst einen organisatorischen und politischen Rahmen zu geben. Andererseits strebt man auch Kooperationen und spätere Vereinigung mit bereits bestehenden Einzelgewerkschaften der DDR an. So wurde ein Kooperationsvertrag mit der Industriegewerkschaft Transport der DDR gebilligt, in dem es heißt, daß beide Organisationen das gemeinsame Ziel verfolgen, „eine einheitliche starke Gewerkschaft ÖTV im vereinten Deutschland zu bilden“. Die Transportarbeitergewerkschaft will nach einer Urabstimmung ihrer Mitglieder der ÖTV beitreten.

Die DDR-Gewerkschaft verpflichtet sich in dem Kooperationsabkommen, den „Demokratisierungsprozeß weiter fortzusetzen“. In einer Protokollnotiz heißt es, daß frühere MitarbeiterInnen der Stasi „keine hauptamtlichen GewerkschaftsfunktionärInnen sein können“.

Die ÖTV lehnt, anders als andere Gewerkschaften, die umstandslose Vereinigung mit den DDR-Partnergewerkschaften ab. In ihrem Organisationsbereich liegen auch die besonders diskreditierten staatlichen Institutionen. Die demokratische Substanz der gewerkschaftlichen Organisation ist deshalb stark mit dem allgemeinen Demokratisierungsprozeß in der DDR verknüpft.

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