Leben in der Mainzer Straße

■ Ganzer Straßenzug seit 14 Tagen besetzt / Insgesamt zehn Häuser / Nummer 4: Tuntenhaus, Nummer 5: Lesbenmütterhaus / Erster Überfall von Rechtsradikalen

Friedrichshain. Wie in einem Fotoband über die Weimarer Republik: Aus Fenstern einer ganzen Häuserzeile flattern Fahnen und Transparente. Allerdings nur auf einer Seite der Mainzer Straße in Friedrichshain, denn hier standen zehn Häuser leer - bis Ende April. Denn da besetzten überwiegend WestberlinerInnen den ungenutzten Wohnraum.

Die Zeile beginnt mit Nummer 4, dem „Tuntenhaus“. Etwa 25 Besetzer haben sich diesen „Wohnraum genommen, um offen(siv) schwul unseren eigenen Vorstellungen gemäß zu leben“. Ein Cafe soll in den kommenden Wochen eröffnet werden. Haus Nummer 5 ist das „Lesbenmütterhaus“. Sechs Lesben sind noch dabei, das Erdgeschoß zu verbarrikadieren, um das Haus so vor Überfällen Rechtsradikaler sicher zu machen. Erst danach werden sie einziehen, erklärte eine 33jährige Lesbe, Mutter von zwei Kindern, gestern der taz. Dann werden sie dort wohnen und politisch arbeiten.

Den NachbarInnen von gegenüber haben sich die BesetzerInnen mit Flugblättern vorgestellt. Sie begründen die „Absicherung“ der unteren Etagen „als Schutz gegen Übergriffe rechtsradikaler Männergruppen“ und betonen, daß „dennoch unsere Häuser für alle offen sind“. Man habe gleich eine ganze Zeile besetzt, weil dies einen größeren Schutz vor Angriffen bedeute, so ein 24jähriger: „Schwule Besetzer aus West-Berlin - das ist doch ein ideales Feindbild für Faschos.“

Doch auch eine komplett besetzte Häuserzeile scheint nicht abzuschrecken. Der erste Überfall von Leuten „in Bomberjacken“ fand bereits in der Nacht auf Sonntag statt. Dreimal kamen sie und warfen Steine durch die Fenster, berichten BesetzerInnen. Zwei BewohnerInnen seien dabei „schwer verletzt“ worden.

diak